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Berlin der Präsident des Abgeordetenhauses Dr. Suhr. –

     Die Post zwischen Ost u. West scheint wieder zu funktionieren, wenigstens erhält Elisabeth wieder ihre Sendungen an Arztmustern, die ihr von westlichen Firmen zugesandt werden. Ich muß bis Ende dieser Woche meine Anmeldung für die Juryfreie an das Büro abgesandt haben, werde damit aber noch warten bis zum Sonnabend. Falls bis dahin die Grenzen nicht offen sind, werde ich die Anmeldung nicht an's Büro, sondern an Herrn Wellenstein persönlich schicken, vielleicht kommt sie durch. Andernfalls hoffe ich, daß man Verständnis haben u. uns Ostberliner Künstlern eine Terminverlängerung zugestehen wird. – Mit der Ausstellung bei Thim-Sieberg sehe ich schwarz. Selbst wenn die Veranstaltung nicht schon gestern war, sondern erst am nächsten Sonntag, ist es doch unwahrscheinlich, daß ich bis dahin die übrigen Bilder hinbringen kann. Die S=Bahn fährt zwar, aber nur bis zur Zonengrenze. In Westberlin ist, wie ich höre, ein Pendelverkehr ebenfalls bis zur Zohnengrenze eingerichtet worden, aber das nutzt mir nichts, da ich die Bilder eben nicht über die Grenze bringen kann.

     Elisab. fühlt sich in Wuhlgarten nach wie vor recht wohl. Die beiden Chefärzte sowie der Direktor sind sehr nett zu ihr u. auch mit der Verwaltung geht es gut, es ist eine Frau Verwaltungsdirektorin. Am Mittwoch wird wohl Dr. Wolf wieder vom Urlaub zurückkehren u. dann wird Elisab, wohl zur psychiatrischen Abteilung kommen u. ihre Tätigkeit wird mehr auf ihre Fachausbildung eingestellt sein –, so glaube ich wenigstens. Jedenfalls ist sie jetzt seelisch viel ausgeglichener u. harmonischer, wenngleich sie auch sehr angespannt ist. Unser häusliches Leben hat dadurch natürlich sehr gewonnen u. ich freue mich darüber. Ich selbst liege leider sehr brach. Die Fangschleuse=Studien, von denen ich noch einige habe, reizen mich nicht mehr sehr zur Arbeit, auch habe ich gar keine Leinewand mehr. Es fehlt mir in der Tat, wie Elisab. oft sehr richtig sagt, an Anregung, aber ich wüßte nicht, woher ich solche nehmen soll. Ich könnte vielleicht allein ins Erzgebirge oder in den Harz fahren, um dort Studien zu machen, aber das kostet eine Masse Geld u. ich erwarte von diesen Gegenden nicht viel. Die Ostseeküste ist ja so gut wie verschlossen, u. auch sie würde mich nicht besonders reizen. Reizen würde mich wohl Griechenland in erster Linie, dann auch Italien, Südfrankreich und Nordafrika, aber selbst wenn ich dorthin fahren könnte, wäre mindestens ein halbes Jahr erforderlich u. das ist schon pekuniär unmöglich. Aber wenn sich das machen ließe, würde ich wahrscheinlich

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Hans Brass: TBHB 1953-06-22. , 1953, Seite 003. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1953-06-22_003.jpg&oldid=- (Version vom 30.4.2024)