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Dr. Richter will übrigens das kleine Bild „Der Junggeselle“ kaufen, jedoch zu einem so niedrigen Preis, daß es fast geschenkt ist. Ich sagte ihm, er solle selber einen Preis machen, doch dürfe der nicht unter 200,– DM. sein. Damit war er einverstanden.

Dienstag, 14. Apr. 53.     

     Ich malte heute das kleine Bild „Am Seeufer“ fertig. Auch dieses Bild ist mir ebenso wie das letzte in zwei Arbeitsgängen gelungen, Untermalung u. darüber gleich das fertige Bild. Es scheint, daß ich jetzt endlich dahintergekommen bin, die Arbeit zu erleichern, wobei mir die neue Methode, den Malgrund ganz rauh zu tuppeln, offenbar sehr hilft. Die rauhe Malfläche läßt sofort die Farbe viel besser stehen, während ich früher immer den Auftrag mehrerer Farbschichten nötig hatte, um eine lebendige Struktur der Fläche zu bekommen.

     Die gestern abend erwartete Frl. Cordes kam nicht.

Donnerstag, 16. Apr. 53.     

     Gestern zeichnete ich das Ziegenbild auf u. legte es farbig an. Es sitzt im Allgemeinen u. bedarf nur noch einiger Ausbesserungen. Bettinchen war mit Anni in Steglitz gewesen, als sie zurückkam, war die Anlage des Bildes fertig. Sie sah es sofort. Zuerst war sie überrascht, dann aber freute sie sich, sie erkannte die Ziege u. ihre kleinen Lämmchen u. den Stall u. bis zum Abend hin sah sie sich das Bild immer wieder an u. freute sich. Auch heute früh betrachtete sie das Bild von Anni's Arm aus u. äußerte ihre Freude, aber als ich ihr das „Bäh“ der Mutterziege nachahmte, verzog sie das Gesicht, machte ein Schippchen u. fing an zu weinen, wobei sie sich an Anni's Hals verbarg. Ich kann mir das nur so erklären, daß es ihr irgendwie unheimlich war. Sie kennt ja alle meine Bilder, ein Bild ist ihr nichts Neues. Sie hat einige Tierbilderbücher u. sie erkennt auch auf den Fotografien von Herrn Tschuschke sich selbst u. die anderen Menschen. Aber diese Bilder sind eben einfach da, sie sind Tatsachen u. sie knüpft daran weiter keine Überlegungen. Nun aber ist da plötzlich die Ziege, die sie kennt u. die vorher nicht da war. Diese Ziege ist starr u. bewegt sich nicht, macht auch nicht „Bäh“. Es muß das für das Kind ja ganz unerklärlich sein, aber wahrscheinlich denkt sie darüber weiter nicht nach. Nun mache ich plötzlich „Bäh“, und da wird ihr das Unerklärliche mit einem Mal bewußt u. es wird ihr unheimlich. –

     Während ich gestern malte, kam Frau Krüger aus Fangschleuse. Ich konnte meine Arbeit nicht unterbrechen. Ich setzte sie zu mir im Atelier u. malte weiter u. unterhielt mich dabei mit ihr,

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Hans Brass: Thim-Sieberg. , 1953, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1953-04-14_001.jpg&oldid=- (Version vom 22.2.2024)