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Dienstag, 3. März 53.     

     Das Bild habe ich fertig, habe es „Rote Dächer“ genannt. Da es vollständig verändert ist, habe ich es als neues Bild unter 1/53 registriert, als erstes Bild dieses Jahres. Es ist jetzt sehr gut geworden.

     Ich möchte jetzt gern aus der Kohlezeichnung einer Straße in nächtlicher Beleuchtung ein Bild machen. Die Zeichnung machte ich noch vor Weihnachten u. sie steht seitdem auf der Staffelei. Die Zeichnung ist zunächst einmal ganz impressionistisch u. enthält nichts weiter als die ungefähre Raum= u. Lichtverteilung. Ich glaube, daß sich daraus was machen läßt, allerdings müßte das Format ziemlich groß werden – wenigstens groß im Verhältnis zu den zuletzt gemalten Bildern aus Fangschleuse. Es reizt mich, dieses Bild zu malen, es wird etwas ganz anderes als wie die zuletzt gemalten Bilder werden, aber es wird nicht ganz leicht sein.

     Bettinchen hat gestern Durchfall gehabt als Folge eines Besuches, den Elisab. mit ihr bei Frl. Keidel gemacht hat, wo man ihr irgend ein Gebäck gegeben hat, das sie nicht vertragen hat. Aber ihr kleiner Magen hat darauf ganz einfach u. gesund mit Durchfall reagiert, ohne daß sie sonst besondere Begleiterscheinungen gehabt hätte. Jetzt scheint es schon wieder gut zu sein. Sie ist ein gesundes Kind u. hat offenbar kräftige Abwehrstoffe in sich, auch die Masern neulich hat sie mit derselben Leichtigkeit überwunden. – Sie ringt jetzt sehr mit den Worten, bringt aber noch immer nichts richtiges zustande. Es ist doch ungeheuer schwer, was solch ein kleines Kind lernen muß. Schon das be-„greifen“ lernen ist schwer u. es dauert sehr lange. Ich denke zuweilen darüber nach, daß solch kleines Kind einen lehren kann, den Tod richtig zu erkennen. Das Be„greifen“ ist ja nicht anderes als die Aneignung der Gegenstände der Umwelt. Parallel zum Be=greifen ist das Be=wissen, d.h. das Bewußtsein. Das Kind ist sich der Welt u. ihrer Dinge u. auch seiner selbst erst bewußt, wenn es das alles begreifen gelernt hat. Vorher ist ein nur ganz schwaches Bewußtsein vorhanden, ja anfangs überhaupt keins. Dieser Zustand ist etwas ganz anderes als etwa eine Bewußtlosigkeit, die ein vorübergehendes Verschwinden des vorhandenen Bewußtseins bedeutet u. die sich für uns in einer Ohnmacht, in der Narkose oder im Schlaf darstellt. Beim eben geborenen Kinde aber ist ein Bewußtsein überhaupt noch garnicht vorhanden, es muß erst langsam erworben werden. Ebenso ist im Zustande des Gestorbenseins ein Bewußtsein überhaupt nicht mehr vorhanden. Der Unterschied ist nur, daß beim Neugeborenen ein Bewußtsein

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Hans Brass: TBHB 1953-03-03. , 1953, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1953-03-03_001.jpg&oldid=- (Version vom 5.3.2024)