Abendbrot unterbrach u. ins Bett ging. Ich hatte 389 Fieber. Habe Tabletten genommen u. geschwitzt. Heute früh hatte ich immer noch 386 Fieber, sodaß ich liegen blieb. Erst um 11 Uhr bin ich aufgestanden, bleibe aber im Zimmer, wo es schön warm ist. Draußen ist es kalt geworden.
Gestern brachte eine Flüchtlingsfrau aus dem Sudetenland zwei Winterastern, die sie in Wustrow gekauft hat für unseren Altar. Sie holte sich bei uns zwei Blumentöpfe dazu u. wird sie selbst einpflanzen u. dann herbringen. Das ist das erste Mal, daß einer dieser Katholiken, die nun seit 1939 zu uns zum Gottesdienst kommen, etwas dafür tun. Diese Frau ist mir schon öfter aufgefallen, sie hat ein großzügiges Gesicht. Sie erzählte mir, daß sie in ihrer Heimat ein großes Holzhaus gehabt habe, breiter als unser Haus, u. an allen Fenstern seien Geranien u. Pelargonien gewesen.
Die Wahl hat überraschenderweise hier in Mecklenb. doch zu einem vollen Erfolg der SED. geführt. Ich habe zwar noch keine genauen Zahlen, aber der Sieg der SED. ist in Mecklenbg. jedenfalls sicher. In Berlin dagegen ist die SPD. als stärkste Partei hervorgegangen, dann folgt die CDU. u. dann erst die SED. Davon liest man freilich in der Landeszeitung nichts. Auch über das Ergebnis in den anderen Ländern ist nichts bekannt, was darauf schließen, läßt, daß Mecklenburg den Vogel abgeschossen hat.
Es geht heute besser. Temperatur morgens 372, während ich gestern Abend noch 383 hatte.
Es liegen nun die Wahlergebnisse vor. Tatsächlich hat die SED. die große Mehrheit überall, außer in Berlin. In der Provinz Brandenburg bleibt die SED sowohl im Landtag, wie in den Kreistagen etwas hinter der Summe von CDU u. LDP. zurück u. ebenso ist es im Landtag der Provinz Sachsen. Sonst aber hat die SED. überall die absolute Mehrheit, außer wie gesagt in Berlin. Dort steht die SED erst an dritter Stelle hinter der CDU. Die Summe der CDU= u. LDP= Stimmen reicht noch nicht entfernt an die Stimmen der SPD heran, sodaß, wenn SPD. u. SED. zusammengehen, was meist der Fall sein wird, eine absolute sozialistische Mehrheit vorhanden ist. Aber das Entscheidende ist, daß die SPD. mit riesiger Ueberlegenheit über die SED gesiegt hat. Die Landeszeitung versucht, diese Tatsache damit aus der Welt zu schaffen, als sie einfach keine Notiz davon nimmt. – Dafür bringt sie in der letzten Nummer noch einmal den Artikel: „Es geht um die Idee – nochmals die Hans-Brass-Ausstellung“, – den sie genau so gestern schon gebracht hatte. Es liegt wohl ein technisches Versehen vor da derselbe Artikel gestern mit den Büchstaben „Ro“ versehen war, also nur in der Rostocker Ausgabe erschienen war. Daraus hatte ich geschlossen, daß der ungenannte Verfasser Dr. Burgartz sei. Herr B. hatte mir ja damals in Schwerin bei der Vorbesichtigung heilig versprochen, für mich in der Presse eintreten zu wollen, wenn ich angegriffen werden würde. Ich hatte nun geglaubt,
Hans Brass: TBHB 1946-10-23. , 1946, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1946-10-24_001.jpg&oldid=- (Version vom 24.11.2024)