danach frühstückte ich mit ihm. Ich fragte ihn nach seinen persönlichen Verhältnissen. Er ist Flüchtling aus Trautenau im Sudetenlande u. hat seinen 81jährigen Vater bei sich, ferner eine Schwester u. eine Schwägerin, die Witwe seines im Kriege gefallenen Bruders. Alle leben nur von ihm. Ich gab ihm einen Geldbetrag mit, ich glaube, daß auch Frau Longard, bei der er geschlafen hat dasselbe getan hat. – Sonst erzählte er, daß in Berlin der neue Katechismus der Diözese erschienen ist ohne das Gebot der Sonn= u. Feiertagheiligung, da das von den Russen verboten wurde. Der Bischof hat den Katechismus trotzdem herausgegeben nach der Ueberlegung, daß ein solcher Katechismus besser sei als garkeiner. – Der Pfarrer von Wittenburg hat an einem Sonntag über dieses Gebot gepredigt. Er ist daraufhin von den Russen verhaftet u. nach Neubrandenburg gebracht worden, doch ist er nun auch von dort verschwunden u. niemand weiß, wo er geblieben ist. Das Pfarrhaus haben die Russen ausgeräumt einschließlich der Sachen, die der Schwester des Pfarrers gehörten, die ihm die Wirtschaft führte.
Heute Telegramm von Martha, daß sie Mittwoch zurückkommt mit Anneliese.
Gestern herrliches Wetter, aber heute windig, bedeckt u. recht kalt. Habe geheizt.
Gestern früh wurden wir durch die Feststellung überrascht, daß in der Nacht in der BuStu. eingebrochen worden war. Es hatte jemand die Schaufensterscheibe zerschnitten u. den Fischlandschmuck, der in einem Glaskasten lag, gestohlen, etwa für 500,– Rm. Es ist in letzter Zeit hier viel eingebrochen worden, vor allem wurden Kaninchen u. Hühner gestohlen. Man hat kürzlich Leute, die in Althagen dergleichen gestohlen hatten, im Zuge nach Berlin geschnappt. Es lohnt sich das natürlich. – In diesem Falle war sich die ganze Belegschaft darüber einig, daß als Dieb nur der junge Kahlig in Betracht kommt, der in letzter Zeit mehrere Stücke des Fischlandschmucks gekauft hat u. auch gestern Nachmittag wieder davon kaufte. Er fährt nämlich heute nach Berlin u. wird den Schmuck dort teuer verkaufen. Ich habe Anzeige erstattet u. beantragt, daß sein Gepäck revidiert wird. Vor kurzer Zeit ist auch Nachts im Gemeindeamt eingebrochen worden, es wurden beide Schreibmaschinen gestohlen.
Eben kam der Bürgermeister aus Ribnitz. Er erzählt, daß die Polizei den jungen Kahlig festgehalten u. sein Gepäck reividiert hat. Es wurden zwar Schnaps u. Cigaretten gefunden u. auch die von ihm gekauften Schmuckstücke, aber nicht die gestohlenen.
Von Fritz gestern eine Karte. Er schreibt sehr begeistert von der Ausstellung in Schwerin. Es seien bisher also in der ersten Woche, 400 Besucher dagewesen, das ist sehr viel.
Ein Herr Ernst Laukant aus Boizenburg schickte mir Zeichnungen seiner 18-jährigen Tochter. Er hat über mich in der Landeszeitung gelesen u. bittet mich, die Arbeiten seiner Tochter zu begutachten. Etwas überaus besonderes ist es nicht, aber ganz talentiert.
Auch von Erich Friese ein Brief, in dem er mir klar zu machen sucht, wie schlimm die Russen u. die SED. wären.
Hans Brass: TBHB 1946-10-14. , 1946, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1946-10-16_001.jpg&oldid=- (Version vom 22.11.2024)