vorlogen, Karl=Ernst sei bereits zur SED. übergegangen. Der andere Pfarrer hat das aber nicht geglaubt u. hat sich ebenfalls geweigert. Darauf haben die Offiziere die beiden Pfarrer zum Essen eingeladen in der Hoffnung, sie betrunken zu machen u. sie dann leichter überreden zu können. Die Pfarrer haben sich aber gehütet, sodaß zuletzt die beiden Offiziere die Betrunkenen waren. In ihrer Trunkenheit haben sie dann ausgeplaudert, daß Stalin befohlen hätte, mit allen Mitteln dafür zu arbeiten, daß alle Deutschen, besonders die Intellektuellen in die SED. eintreten. –
So ist also die Situation, in der wir heute zur Wahl gehen. Martha u. ich waren bereits dort gleich nach der Messe, die wir heute um 8 Uhr früh hatten u. die sehr gut besucht war. Ich warf meinen Zettel in die Urne, nach dem ich vorher einen Strich guer darüber gemacht hatte. Ich tat das vorsichtshalber, da Fritz der Meinung ist, daß Wahlzettel, die ohne das Kreuz abgegeben werden, als Stimme für die SED. gelten. Fritz, der Vorsitzender des Wahlausschusses ist u. die Liste führt, meint, daß die Stimmung allgemein gegen die SED. ist u. er will sogar wissen, daß Wähler, deren Name selbst auf der Liste stehen, dennoch einen ungültigen Zettel abgeben.
Morgens nach der Messe frühstückten wir zusammen mit Frl. Ruthenberg u. unserem Professor, der Rauer heißen soll, im Eßzimmer, da es im Seezimmer zu eng war für 4 Personen.
Prol. R. klagt sehr, daß er im Kurhause nicht satt wird u. so bekommt er jeden Morgen seine Schrotsuppe bei uns, was ihn aber nicht hinderte, heute auch unser Brot u. unsere Butter zu essen, von der wir am Sonnabend mal wieder eine kleine Zuteilung bekommen haben. Ich finde jedenfalls, daß er einen recht guten Appetit hat. Heute Nachmittag muß er in Wustrow Gottesdienst halten. Es ist schlechtes Wetter, starker Südwest, u. er wird wohl morgen darüber bitter klagen.
Ich habe in all diesen Tagen abends an der Skizze zu dem Bilder „Kerker“ gearbeitet. Jetzt ist sie endlich so weit, daß ich eine größere Zeichnung dafür machen kann. Mein Bild „Aufbruch“ wird sehr gut.
Abends: Die Wahl hat in Ahrenshoop ergeben:
Wahlberechtigte: 243.
Abgegebene Stimmen: 227
Davon für die SED: 163
Ungültige Stimmen 64
227
Von diesen ungültigen Stimmen waren 34 leere Stimmzettel. Es wird sich erweisen, ob diese leeren Zettel von der Wahlbehörde in Ribnitz als ungültig anerkannt werden, – was sie zweifellos sein sollen. Immerhin ergibt dieses Resultat, daß es 64 anständige Menschen in Ahrenshoop gibt.
Herr u. Frau Dr. Ummus waren Nachmittags da, – sie brachten die Nachricht mit, daß am 20. Oktober in der ganzen russ. Zone Wahlen zu den Kreis= u. Landtagen stattfinden sollen. Diese Wahlen werden dann ein besseres Bild abgeben, da man dann ja auch andere Pateien wählen kann.
Hans Brass: TBHB 1946-09-15. , 1946, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1946-09-15_002.jpg&oldid=- (Version vom 19.11.2024)