Reinmöller ist nun schon wochenlang fort, ohne daß man mehr von ihm weiß, als daß er im Lager von Neu=Brandenburg sein soll. Es ist doch ein fast unerträglicher Zustand, daß irgendwelche Menschen einfach u. willkürlich abgeholt u. verschleppt werden, ohne daß man erfährt, wo sie sind, was mit ihnen wird. Diese Methoden haben die Nazis angefangen u. unsere „Befreier“ wenden dieselben an. Wenn schon der Kommunismus bei uns in Ostdeutschland als Norm gelten soll, so könnte man sich damit ja durchaus abfinden, man könnte ihn sogar als notwendig bejahen, aber daß damit ein Zustarnd völliger Rechtlosigkeit verbunden sein soll, ist ein unerträglicher Gedanke. – Aber wer führt den Kommunismus ein? Antwort: Die Russen im Verein mit der sog. Einheitspartei, – von einer Volksabstimmung ist garkeine Rede, denn sie würde klar ergeben, daß die Mehrheit des Volkes das nicht will. Es ist genau dieselbe Diktatur wie unter den Nazis, – vielleicht noch schlimmer. –
Am Sonntag Abend tauchte plötzlich der Bruder von Frl. v. Tigerström bei uns auf. Martha erzählt mir, daß er nach Schweden wolle. Was er hier will, weiß ich nicht, jedenfalls nächtigt er bei uns.
Gestern legte ich das andere Blumenbild an, blühende Zweige, die mir Frl. Schröder, die Hausdame von Reinmöller in der vorigen Woche geschickt hatte, ich glaube, daß es Quittenblüten sind. Ich male dieses Bild auf eine Sperrholzplatte, die von einer Kodak-Reklame herrührt.
Danach nahm ich mich der Leinewand wieder an, rieb sie mit Sandpapier ab u. mußte feststellen, daß die Fläche so porös war, daß man so nicht gut darauf malen konnte. Ich besaß noch eine Blechbüchse, die Fritz einmal aus Frankreich geschickt hatte u. in der weiße Oelfarbe war, womit ich Fensterrahmen angestrichen hatte. Diese Büchse war noch halb voll, sehr eingedickt, aber doch noch brauchbar. Ich setzte Terpentin zu u. strich damit die Leinewand noch einmal sehr mager. Nun habe ich Sorge, ob sich auf diesem Grunde malen läßt, da Oelfarbe doch zu reißen pflegt, wenn man auf sie auf weiß gestrichene Gegenstände aufträgt, allerdings wohl nur, wenn es sich um weißen Lack handelt. Nun weiß ich nicht, ob in jener Oelfarbe Lack enthalten war, glaube es aber nicht, bzw. ich möchte es nicht glauben. Wenn solcher darin war, so hoffe ich, daß die Leinewand ihn aufgesogen hat u. er nicht weiter schädlich ist. Die Leinewand ist so weit ganz gut geworden, doch will ich sie vorsichtshalber nochmals mit Sandpapier bearbeiten. Das handgewebte Leinen hat sehr viele Knoten, die teilweise recht störend sind, vielleicht bekomme ich sie weg, kann aber mit dem Sandpapier die Fläche doch etwas aufrauhen, damit der Grund noch etwas saugt. Ich habe noch nie auf solchem Oelgrund gemalt.
Fritz ist in der BuStu. sehr eifrig tätig. Ich sah es mir gestern an. Es ist erstaunlich, was er gemacht hat. Der Turm, der in den letzten Kriegsjahren verschlossen war u. als Vorratsraum diente, ist wieder eingerichtet u. wirkt mit wenigen, sehr mäßigen Ausstellungsgegenständen doch sehr anständig. Er hat seine großen Fotos aufgehängt u. auf den Tischen Radierungen von Schultze-Jasmer unter Glas. Er ist jetzt dabei, Wände zu spannen, an denen meine Zeichnungen hängen werden, die ich nun nach u. nach fast alle mit gezeichneten Rähmchen versehen habe. Den Rest mache ich heute u. morgen fertig. Am Pfingstsonnabend soll alles fertig sein, denn dann kommen die ersten Gäste. Am Pfingstsonnabend ist Marthas Geburtstag.
Hans Brass: TBHB 1946-05-28. , 1946, Seite 2. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1946-05-29_001.jpg&oldid=- (Version vom 4.11.2024)