TBHB 1946-05-28
Einführung
Der Artikel TBHB 1946-05-28 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 28. Mai 1946. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.
Tagebuchauszüge
[1] Gestern Nachmittag Leinewand aufgespannt 150 x 115. Für dieses Maß hatte ich Keilrahmen, das frühere Bild „Jo + Jupiter“ war darauf, das wir kürzlich aufgefunden haben u. das so wie so total verdorben war, weil es jahrelang in dem feuchten Raum meines früheren Ateliers gestanden hat. Es soll nun das Interieur darauf kommen. Ich habe die Leinewand auch gestern grundiert, leider war die Grundierfarbe nicht mehr recht brauchbar. Ich werde die Fläche, die sehr ungleichmäßig geworden ist, mit Schmirgelpapier abreiben müssen u. dann wahrscheinlich ein zweites Mal grundieren müssen.
Gestern wurde erzählt, daß am Sonnabend ein Last=Auto bei Reinmöller vorgefahren sein soll, mit dem Russen alle Kleider u. Wäsche von Prof. R., sowie Teppiche u. Möbel abgeholt haben sollen. Ich sah allerdings ein sehr hoch mit allerhand Möbeln bepacktes Auto hier vorbeifahren. [2] Reinmöller ist nun schon wochenlang fort, ohne daß man mehr von ihm weiß, als daß er im Lager von Neu=Brandenburg sein soll. Es ist doch ein fast unerträglicher Zustand, daß irgendwelche Menschen einfach u. willkürlich abgeholt u. verschleppt werden, ohne daß man erfährt, wo sie sind, was mit ihnen wird. Diese Methoden haben die Nazis angefangen u. unsere „Befreier“ wenden dieselben an. Wenn schon der Kommunismus bei uns in Ostdeutschland als Norm gelten soll, so könnte man sich damit ja durchaus abfinden, man könnte ihn sogar als notwendig bejahen, aber daß damit ein Zustarnd völliger Rechtlosigkeit verbunden sein soll, ist ein unerträglicher Gedanke. – Aber wer führt den Kommunismus ein? Antwort: Die Russen im Verein mit der sog. Einheitspartei, – von einer Volksabstimmung ist garkeine Rede, denn sie würde klar ergeben, daß die Mehrheit des Volkes das nicht will. Es ist genau dieselbe Diktatur wie unter den Nazis, – vielleicht noch schlimmer. –
Am Sonntag Abend tauchte plötzlich der Bruder von Frl. v. Tigerström bei uns auf. Martha erzählt mir, daß er nach Schweden wolle. Was er hier will, weiß ich nicht, jedenfalls nächtigt er bei uns.