Seite:HansBrassTagebuch 1946-03-12 001.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

bayerischen Wachsplastik machte, die Ruth uns einmal schenkte. Das Bild ist problematisch u. wird vermutlich Arbeit machen, sodaß ich etwas Angst davor habe. Die Studie habe ich nun aber seit einiger Zeit dauernd vor mir stehen u. sie hält stand, – so habe ich mich entschlossen, das Bild zu malen.

     Meine böse Erkältung ist besser, aber noch nicht überwunden. Gestern Abend hatte ich wieder leichte Beschwerden, die ich auf Nierensteine zurückführe. Ich schlief deshalb nicht besonders gut u. bin heute ziemlich matt.

     Grete u. Paul waren gestern Abend bei uns, wobei zur Sprache kam, daß Grete jetzt schon seit drei Wochen für die achtzigjährige Mutter der Frau Kahl Mittagessen kocht. Die Frau Kahl reist derweil in der Welt herum, um die Reste ihres Vermögens einzusammeln. Währenddem ist hier bei ihr eingebrochen worden u. man hat ihr alles gestohlen, was sie an Vorräten u. Kleidern zusammengehamstert hatte. Die Mutter ist eine hilflose, alte Frau, um die sich die Tochter nicht kümmert u. die sie schlecht behandelt, wenn sie hier ist. Dabei kommt diese Person aber in unsere Andacht. Sie ist wirklich eine höchst fatale Erscheinung.

Dienstag, 12. März 1946.     

     Vormittags an den Weidenkätzchen gemalt, Nachmittags die Leinewand für das Muttergottesbild grundiert.

     Nachmittags Besuch von Herrn u. Frau Pastor Wunderlich aus Wustrow. Er ist ein sehr belangloser Herr, wenigstens nach diesem ersten Eindruck. Er stellt sich seine Arbeit sehr leicht vor, aber er ist eben noch recht jung. Seine Frau ist wohl ein ziemlich problematischer Mensch von sehr hohem Idealismus. Man muß erst mal sehen, was aus diesen beiden Menschen wird.

     Meine Erkältung ist im Abklingen. Ich fühle mich sehr schwach, es scheint sich die Unterernährung bemerkbar zu machen.

     Was mit den Weidenkätzchen wird, ist noch nicht ganz sichtbar. Ich versuche, das Tanzende herauszubringen, das sich auch dem Hintergrunde mitteilen soll, oder vielmehr, daß eben das ganze Bild tanzt; aber bis jetzt bin ich wenig zufrieden, das Bild sieht noch viel zu mager aus. Aber es ist ja erst der erste Arbeitstag u. dafür bin ich doch schon recht weit gekommen. Dieses Bild wird entweder sehr schwierig u. dann unbefriedigend bleiben, oder es wird plötzlich fertig sein, – vielleicht schon morgen.

     Unsere Trude, die in Wustrow im Krankenhause zur Bestrahlung liegt, ebenfalls Erkältung, fehlt uns sehr, besonders in Bezug auf den Küchenzettel.

     In der Zeitung große Erregung über eine Rede Churchills, die dieser in Fulton USA. gehalten hat u. die eine heftige Abneigung gegen Rußland nicht verbirgt. Unsere russische Tägl. Rundschau speit Gift u. Galle, der Tagesspiegel bespricht sie sachlich u. bringt auch positive Pressestimmen. Die Rede beweist, daß ich Recht habe, wenn ich meine, daß ein Krieg über kurz oder lang unvermeidlich ist. Diese Rede hat das russische Mißtrauen überaus vertieft.

Mittwoch, 13. März 1946.     

     Die Weidenkätzchen sind tatsächlich heute fertig geworden. In so kurzer Zeit habe ich bisher noch nie ein Bild gemalt. Obwohl dieses Motiv weder interessante Formen noch Farben bietet, ist das Bild doch interessant u. von einer überaus zarten Farbigkeit.

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1946-03-11. , 1946, Seite 003. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1946-03-12_001.jpg&oldid=- (Version vom 15.11.2024)