TBHB 1946-03-11
Einführung
Der Artikel TBHB 1946-03-11 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 11. März 1946. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über drei Seiten.
Tagebuchauszüge
Begonnen am 11. März 1946.
Geschlossen am 9. August 1946.
[2][2] Heute ein neues Bild angelegt. Ich hatte in der letzten Woche eine Naturstudie nach einigen Zweigen von Weidenkätzchen gemacht, die eigentlich wenig Anregung zu einem Bilde bot; aber grade das reizte mich zu dem Versuch, ob sich nicht vielleicht doch etwas daraus machen ließe u. so zeichnete ich eine Bildstudie, nach der ich nun das neue Bild malen will. Die Anlage ist sehr glücklich geworden. Die Kätzchen tanzen links unten aus der Ecke heraus nach oben über die ganze Bildfläche vor einem rosa=gelb=kobaltblauen Grunde. Das Bild sieht leicht u. frühlingshaft aus u. verspricht, hübsch zu werden.
Leider entspricht dieses Frühlingsbild garnicht der Witterung. Es taut zwar draußen u. die Sonne scheint, aber der Schnee liegt überall noch sehr hoch, sodaß es nicht warm wird. Ohne diesen Schnee würden wir sonst heute einen schönen Frühlingstag haben.
Ueber Mittag war ich bei Gräff, um mir einen Pinsel zum Grundieren einer neuen Leinewand zu leihen, doch traf ich ihn leider nicht an. Seine Frau klagte sehr, weil man ihr in der letzten Woche sämtliche Hühner aus dem Stall während der Nacht gestohlen hatte, Gräffs hatten die Hühner mit Mühe u. Not durch den Winter gebracht u. sich dazu selber Nahrung entzogen. Nun sollten die Hühner anfangen zu legen. Es ist eine Gemeinheit; aber solche Räubereien werden Kein Fehler gefundennun wohl noch viele kommen, denn die Flüchtlinge hier haben eben Hunger.
Die Leinewand, die ich grundieren will, ist gedacht für ein Bild der dreifach gekrönten Mutter Gottes mit dem Jesuskinde, für das ich letzthin eine Studie nach der [3] bayerischen Wachsplastik machte, die Ruth uns einmal schenkte. Das Bild ist problematisch u. wird vermutlich Arbeit machen, sodaß ich etwas Angst davor habe. Die Studie habe ich nun aber seit einiger Zeit dauernd vor mir stehen u. sie hält stand, – so habe ich mich entschlossen, das Bild zu malen.
Meine böse Erkältung ist besser, aber noch nicht überwunden. Gestern Abend hatte ich wieder leichte Beschwerden, die ich auf Nierensteine zurückführe. Ich schlief deshalb nicht besonders gut u. bin heute ziemlich matt.
Grete u. Paul waren gestern Abend bei uns, wobei zur Sprache kam, daß Grete jetzt schon seit drei Wochen für die achtzigjährige Mutter der Frau Kahl Mittagessen kocht. Die Frau Kahl reist derweil in der Welt herum, um die Reste ihres Vermögens einzusammeln. Währenddem ist hier bei ihr eingebrochen worden u. man hat ihr alles gestohlen, was sie an Vorräten u. Kleidern zusammengehamstert hatte. Die Mutter ist eine hilflose, alte Frau, um die sich die Tochter nicht kümmert u. die sie schlecht behandelt, wenn sie hier ist. Dabei kommt diese Person aber in unsere Andacht. Sie ist wirklich eine höchst fatale Erscheinung.