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     Paul zeigte mir eben einen Aufruf an die Bevölkerung, den er entworfen hat u. den der Bürgermstr. unterschreiben soll Der Aufruf ist sehr gut. Paul ist eben zu Gräff gegangen, um ihm den Aufruf zu zeigen. Ich hoffe, daß Gräff so intelligent sein wird, u. einsehen wird, daß die Hilfe, die er von Paul haben kann, für ihn u. die ganze Gemeinde von Wert ist.

     Zwei junge Frauen im Dorf erwarten dieser Tage ihre Niederkunft: Frau Pilster=Hoffmann u. die Tochter von Rechtsanw. Vogt. Dr. Meyer weigert sich, von Wustrow hierher zu kommen, u. er kann es auch nicht, da er von 10 Uhr abends die Straße nicht betreten darf. Ebenso ist es mit der Hebamme aus Wustrow. Ich bin zwar der Meinung, daß die Russen dem Arzt u. der Hebamme einen Passierschein geben würden, wenn sich Dr. M. darum bemühen würde. Die jungen Frauen sind natürlich in großer Sorge deshalb.

     Wir haben herrliches Frühlingswetter, von den Tücken der drei gestrengen Herren ist nichts zu spüren. Wir schmückten heute den Altar mit den ersten Tulpen.

Montag, 14. Mai 1945.     

     Gestern war ein richtig heißer Sommertag. Heute ist ebenfalls klares Wetter, aber windig.

     Am Spätnachmittag kamen Frau Denzien aus Althagen, die Frau des Ribnitzer Rechtsanwalts, der ehemals ein großer Nazi war. Mit ihr kam Frau Meyer, die Frau eines Oberleutnants, der bei der aus Swinemünde hierher gekommenen Marine-Artillerie-Abteilung war. Sie selbst war die Führerin der Nachrichten-Helferinnen derselben Abteilung. Beide Frauen wohnen in Althagen im Hause Smith, in der Wohnung von Dr. Krappmann. Auch der Oberleutn. Meyer selbst ist noch dort, sowie der Kapitänleutnant Wegener, der Führer dieser Abteilung u. dessen Frau. Da nun heute alle Flüchtlinge Althagen verlassen u. alle Männer zwischen 17 – 50 Jahren sich melden müssen, will der Oberlt. Meyer mit seiner Frau heute früh Althagen per Rad verlassen, um zu versuchen, sich nach dem Westen durchzuschlagen. Frau Denzien will zurück nach Ribnitz. Der Kapitänlt. Wegener bleibt mit seiner Frau da u. meldet sich. Seine Frau, die erst vor wenigen Tagen ein Kind bekommen hat, könnte eine so anstrengende Reise nicht machen. Uebrigens ist sie von einem russischen Soldaten vergewaltigt worden.

     Frau Denzien wollte wissen, daß die Russen in Ribnitz u. Rostock fürchterlich gehaust haben, bzw. noch hausen Es sollen sich dort einige achtzig Personen das Leben genommen haben, unter ihnen die Frau des Zahnarztes Mayn. Dr. Thron soll mit seiner Frau gut durch alle Fährnisse hindurchgekommen sein. Dr. Wessel soll geflüchtet sein, aber man will wissen, daß die Russen ihn dann doch geschnappt hätten. Alles das sind aber bloß Gerüchte. Man sagt, daß die Russen in ganz Mecklenburg viel schlimmer gehaust hätten, als hier bei uns. Abends kam noch Agnes Borchers u. ihr Mann. Sie erzählte, daß die Russen weitere Häuser in Niehagen=Fulgen beschlagnahmt hätten, die Bewohner hätten angeblich in einer halben Stunde die Häuser räumen müssen, unter ihnen auch der alte Koch=Gotha. Es sollen nach Alt= u. Niehagen wieder neue Truppen gekommen sein. Ich kann mir nur denken, daß das vorübergehende Maßnahmen sind, bis all diese Truppen nach Rußland zurück transportiert werden. –

Auch Herr Brandt kam am Spätnachmittag. Der Mann

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Hans Brass: TBHB 1945-05-13. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-05-14_001.jpg&oldid=- (Version vom 25.7.2024)