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u. Rosenberg fehlt noch jede Spur. In der Tschechei gibt es noch Kampfverbände, die immer noch weiter kämpfen trotz der Kapitulation, man muß diese Banden einzeln totschlagen.

     Gestern Nachmittag besuchten uns Herr + Frau Soehlke, aus Althagen. Die Zustände dort scheinen immer noch sehr böse zu sein. Es gibt dort keinen Kommandanten, wie in Wustrow u. bei uns, anscheinend deshalb, weil dort die Russen im Gelände der Batterie einquartiert sind. Die Soldaten räubern dort noch sehr viel u. plündern die Bauern aus, deren Aecker zertrampelt werden. Diese Räubereien dehnen sich dann auch bis an unsere Grenze aus, sodaß der Grenzweg viel zu leiden hat. Dort sind neuerdings Vergewaltigungen von Frauen vorgekommen. Auch Radiogeräte werden jetzt gestohlen. Bei Soehlkes, bei denen jetzt auch Frau Kuhnke wohnt, ist bis jetzt alles ziemlich glimpflich abgelaufen, aber die Frauen müssen dauernd bereit sein, in der Nacht auf die Wiesen zu fliehen, wenn Russen kommen.

     Später war Frau Longard da. Sie war überaus nervös. Bei ihr sind zwei Offiziere mit ihren Burschen einquartiert, wodurch sie zwar einigermaßen geschützt ist, aber sie selbst hat nun bloß noch ihr kleines Schlafzimmer zur Verfügung u. es ist viel Unruhe im Hause. Sie brachte mir eine Beschreibung der Stellen ihres Grundstückes wo sie Wertsachen vergraben hat, damit ich später ihrer Tochter diese Beschreibung geben soll, falls sie selbst bis dahin gestorben sein sollte. Die alte Dame sehnt sich danach, daß sie diese Erde verlassen darf.

     Im Dorfe selbst, d.h. in der Hauptstraße, ist gestern nichts weiter passiert, nur die weiter zurück liegenden Grundstücke von Triebsch, Seeberg, Reinmüller usw. werden jetzt noch heimgesucht. Ich entnehme daraus, daß die Soldaten jetzt doch anfangen, sich zu scheuen, ihr Räuberhandwerk öffentlich zu betreiben. Nicht weniger schlimm sind die ortsfremden Flüchtlinge. Sie haben die Einrichtung des Kaffee Namenlos ausgeplündert. Sie gehen zu den Bauern u. wenn sich diese ihren Forderungen widersetzen, drohen sie damit, daß sie mit Russen wiederkommen würden. Der Bauer Paetow, dessen Frau allerdings schon immer in Rufe großen Geizes stand, ist total ausgeplündert worden, nachdem er den Russen, die Brot, Eier u. Butter gefordert hatten, dies verweigert hatte. Sie haben das Haus durchsucht u. sollen in der Räucherkammer die Produkte von zwei ausgeschlachteten Schweinen mitgenommen haben. Auch alle Kartoffeln u. alles Heu haben sie genommen. Den Bauern in Althagen ist es, ebenso ergangen. Es wird eine furchtbare Hungersnot geben.

     Frau Longard erzählte, daß der eine der Offiziersburschen ein Bettlaken zerschnitten hat u. daß er von ihr verlangt habe. Säcke daraus zu machen, damit er darin Sachen nachhause schicken könne. In der Tat sah ich gestern einen Wagen vorbeifahren, auf dem mehrere Pakete lagen, die in weiße Leinewand eingenäht waren. Die Soldaten schicken in dieser Art das geraubte Gut nachhause.

     Wir haben alle Garderobe u. Wertsachen auf dem Boden verborgen, auch das Radiogerät von Paul, das nicht auf den schwachen Strom umgestellt ist. Unseren Apparat verbergen wir im Seezimmer. Bisher haben wir ja so gut wie keine Verluste gehabt, aber man ist nie sicher.

     Auch Frau Boroffka war gestern Nachmittag bei uns. Man hat ihr einen Fotoapparat genommen. Die russischen Offiziere wollen nun gern photographiert werden, aber

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Hans Brass: TBHB 1945-05-11. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-05-11_002.jpg&oldid=- (Version vom 25.7.2024)