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worden sein soll. Die Leiche Hitlers soll immer noch nicht gefunden sein, aber der Vergiftungstod von Goebbels u. seiner ganzen Familie scheint sicher zu sein. Paul meint, man sollte wenigstens noch seine Leiche aufhängen. Es will ihm nicht in den Kopf, daß dieser Kerl so billig davongekommen sein sollte. Ich glaube aber, daß er doch ein sehr schlimmes Ende gehabt haben muß, denn er war doch zu intelligent, um selbst an all das zu glauben, was er dem Volke vorgelogen hat. Er muß dieses Ende doch schon lange vorausgesehen haben, u. es wird schon eine Höllenqual gewesen sein, jede Woche einen Artikel von der Gewißheit des Sieges schreiben zu müssen. Er soll ja wohl sieben Kinder gehabt haben, dazu er u. seine Frau. Er ist also mit neunfachem Mord belastet in die Ewigkeit gegangen, abgesehen von den zahllosen Mord= u. Greueltaten, die ihm indirekt zur Last fallen. Die Hölle macht jetzt reiche Ernte. – Ueber den Verbleib der anderen Halunken hört man nichts. Es heißt ja, daß irgendwo in den Alpen noch von letzten SS=Verbänden gekämpft wird. Die Kerle besitzen sogar noch einen Sender u. geben einen Heeresbericht heraus.

     Heute Vormittag pflanzte ich weite Dahlien. Es ist heute sehr schönes, warmes Wetter. Auch Gladiolen-Zwiebeln habe ich gepflanzt.

Donnerstag, 10. Mai 1945.     
Christi Himmelfahrt.     

     Gestern Abend kurz vor Beginn des Vortrages, kam wieder ein Russe ins Haus. Er kam von hinten her in die Küche. Es war wohl ein Pole. Ich weiß nicht, was diese Burschen eigentlich wollen. Er erbat sich Trinkwasser, daß er bekam, aber es war wohl bloß ein Vorwand. Er sah sich mit dem etwas verlegenen u. dummdreisten Gesicht des Knechtes, der den Herrn spielt, um, ging in die Diele, interessierte sich für das Telephon. Ich zeigte ihm, daß es außer Betrieb sei. Dann wollte er ins Eßzimmer. Ich konnte ihm verständlich machen, daß dort Eva's Kind schliefe u. da ließ er es. Dann deutete er auf die Treppe u. sagte etwas, was ich nicht verstand. Zur Probe nickte ich mit dem Kopfe, worauf er die Treppe hinaufgehen wollte. Ich vertrat ihm den Weg u. schüttelte nun zur Abwechslung den Kopf u. er gab seine Absicht auf. Dann ging er langsam raus, besah den Hintergarten u. kam wieder zurück. Ich gab ihm zwei Zigaretten u. dann zog er langsam ab. Nach kurzer Zeit erschien er aber wieder mit einem Radfahrer. Beide gingen an die Tür des kleinen Hauses u. rüttelten daran, dann gingen sie zum Seiteneingang der BuStu u. rüttelten u. schließlich zogen beide ab u. verschwanden, im Strandweg. – Es passiert ja nichts, aber es ist jedesmal eine arge Nerven-Erregung. Gestern waren solche Leute auch bei Bernh. Saatmann, der schon wiederholt ausgeplündert worden ist, u. haben wieder alles durcheinandergewühlt.

     Paul hat gestern Abend um 5 Uhr bei Frau Sperling Rundfunk gehört. Der Strom ist etwas stärker geworden, aber bei uns reicht er noch nicht aus, weder für den Rundfunk, noch für die Pumpe. Er hat gehört, daß die bedingungslose Kapitulation nun endgültig von der Interalliierten Kontrollkommission im Beisein von Generalfeldmarschall Keitel in einem Vorort Berlins, ich glaube in Kaulsdorf ratifiziert worden ist. Damit ist nun der Waffenstillstand endgültig Tatsache. Es ist weiter gesagt worden, daß Herm. Goering mit Frau u. Kind in Gefangenschaft gekommen sei. Goering habe erklärt, daß er den Führer aufgefordert habe, die Regierungsgeschäfte an ihn

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Hans Brass: TBHB 1945-05-09. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-05-10_001.jpg&oldid=- (Version vom 25.7.2024)