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u. zwar das Strandheim u. das Haus Lettow. Natürlich wurde gestern hier erzählt, die ganze Strandstraße sei „enteignet“ worden. Abends kam Dr. Ziel u. stellte die Sache richtig. Frau Dr. Hahn war in Wustrow gewesen u. hatte die Nachricht mitgebracht. Es scheint demnach so, als würde nun im Strandheim eine Ortsunterkunft für russ. Soldaten eingerichtet u. im Hause Lettow für den Stab eine Unterkunft geschaffen. Das ist alles. Ich habe mich nun aber darauf eingerichtet, daß auch unser Haus vielleicht beschlagnahmt werden könnte. In diesem Falle müßten wir alles an Wäsche u. Kleidung usw. aus den Fenstern werfen, da die Räumung sehr schnell vor sich gehen muß. In diesem Augenblick kommt Martha u. sagt, daß am Grenzwege bei uns ebenfalls heute ein Haus beschlagnahmt sei. Ich weiß nicht, welches, aber man hat den Leuten zwei Stunden Zeit gelassen, was vollauf genügen kann.

     Frau Dr. Hahn war in Wustrow beim Kommandanten, um einen Ausweis zu bekommen, daß sie ungehindert nach Wustrow fahren könne. Der Mann war höflich, wenn auch eiskalt, u. hat ihr gesagt, sie brauche dazu keinen Ausweis, sie könne ungehindert überall hingehen, aber es empfehle sich, nicht mit dem Rade zu fahren, da ihr dieses leicht von Soldaten abgenommen werden könne. Zu Fuß aber könne sie überall hingehen, wo russische Besatzung sei.

     Fischer Meyer fischt jeden Morgen, aber es ist nicht ungefährlich. Ich sah heute morgen vom Fenster aus, daß sein Boot unter Maschinengewehrfeuer genommen wurde. Die beiden Insassen warfen sich auf den Boden u. banden rasch ein Taschentuch an ein Ruder, mit dem sie winkten. Das Feuer hörte dann auf.

     Die Lebensmittel-Knappheit nimmt mehr + mehr zu, es kann das sehr schlimm werden. Gestern Nachmittag war Frau Nickstedt da, die dauernd in einer furchtbaren Angst lebt um ihre Tochter Brigitte. Die sonst so groben Züge dieser Frau sind durch diese Angst sehr veredelt worden, sodaß sie direkt schön aussieht. Auch Frau Beichter war vorgestern da, die ebenso Angst hat. Ich konnte diesen Frauen nur sagen, daß sie eben nun die Zähne aufeinanderbeißen müssen, zu helfen ist jetzt nicht mehr mit menschl. Hilfe. Ich habe ihnen gesagt, daß Martha u. ich täglich wenigstens einmal den Rosenkranz beten. Wir sind besorgt, haben aber keine Angst. Jetzt kann uns eben nur noch Gott selbst helfen, – u. wer sich bisher nicht um Gott gekümmert hat, der ist nun natürlich schlecht dran. – Auch Paul macht mir Sorge, er leidet sehr.

     5 Uhr Nachm. Es hat sich nichts von Bedeutung ereignet. Frau Margot Seeberg klagte mir, daß sie die Garderobe von Erich u. von ihrem Sohn Ando im Garten vergraben hätte, die Russen aber, die in ihr Haus garnicht gekommen sind, haben alles ausgegraben u. mitgenommen. Ich hatte ihr immer abgeraten, Sachen zu vergraben nun klagt sie, daß sie meinem Rat nicht gefolgt ist. Sie sagte mir ferner, daß unser Auto vor der Garrage von Mc. Dornan steht u. nur 3 Räder hat. Damit ist also auch das erledigt. – Herr Bachmann will mit einem Russen gesprochen haben, der ziemlich gut deutsch sprach. Dieser soll gesagt haben, es käme noch eine Besatzung von 300 Mann hierher, aber in absehbarer Zeit würden sie abziehen u. wir würden amerikanisch werden. Es wird wohl kaum jemand etwas dagegen haben, aber es scheint mir doch sehr zweifelhaft. Sabine Klein hat einen durchziehenden amerikan. Kriegsgefangenen

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Hans Brass: TBHB 1945-05-08. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-05-08_002.jpg&oldid=- (Version vom 24.7.2024)