Textdaten
Autor: Hans Brass
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: TBHB 1945-05-08
Untertitel:
aus: Vorlage:none
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum: 1945
Erscheinungsdatum: Vorlage:none
Verlag: Vorlage:none
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort:
Übersetzer:
Originaltitel: Dienstag, 8. Mai 1945.
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 8. Mai 1945
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
unvollständig
Dieser Text ist noch nicht vollständig. Hilf mit, ihn aus der angegebenen Quelle zu vervollständigen! Allgemeine Hinweise dazu findest du in der Einführung.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


Einführung

Bearbeiten

Der Artikel TBHB 1945-05-08 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 8. Mai 1945. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über drei Seiten.

Tagebuchauszüge

Bearbeiten
[1]
Dienstag, 8. Mai 1945.     

[1]      Von denen, die Radio hören können, hörten wir gestern Nachmittag, daß gestern früh 245 Uhr die bedingungslose Kapitulation der gesamten deutschen Wehrmacht unterzeichnet worden ist. Unterzeichnet haben Generaloberst Jodl u. ein Admiral, ich glaube mit Namen Freudenberg. Damit ist nun also endlich dieser furchtbare Krieg zu Ende, u. wenn man sich dieses Endes auch nicht besonders freuen kann, da wir weiterhin in Furcht u. Schrecken leben, so ist es doch wenigstens ein Lichtblick in eine bessere Zukunft. – Gestern Abend hörte man von Dänemark herüber lange anhaltende u. sehr schwere Detonnationen es sind dort wohl alle Wehrmachts-Anlagen in die Luft gesprengt worden. Der ganze Horizont war verhangen von grauem Dunst, in dem die Sonne blutrot u. merkwürdig deformiert unterging.

     Nachmittags war Heinr. Dade, Trudes Vater, da u. berichtete, daß es bis jetzt allen gut ginge. Sie verstecken die Tochter bald hier, bald da. Er erzählte, daß die flüchtenden SS-Banden alle Boote vom Strande gestohlen hätten. Da sie aber nicht wußten, daß jedes Fischerboot im Boden ein Loch hat, das zugepfropft werden muß, ehe man das Boot zu Wasser bringt, sind die Boote voll Wasser gelaufen. Die Fischer haben ihre Boote am nächsten Morgen draußen auf See schwimmen sehen. Da das Boot von Fischer Meyer nicht gestohlen war konnten sie sich alle Boote wiederholen. Von den SS-Leuten war nichts mehr zu sehen, sie werden wohl alle ertrunken sein.

     Gestern Morgen um 10 Uhr wurden, wie ich ebenfalls erst am Nachmittag hörte, die Leichen von Herrn + Frau Siegert auf dem Friedhof beigesetzt oder richtiger verscharrt. Budde hatte sich geweigert, Särge zu machen u. von ihren früheren Nazi=Freunden ist niemand dabei gewesen. Alle diese Weiber beteuern jetzt, daß sie niemals richtige Nazis gewesen wären, sie wären nur gezwungen worden. Es ist ein widerliches, gesinnungsloses Pack, wie es das immer gewesen ist.

     Die Engländer geben bekannt, daß sie im Konzentrationslager von Dachau u. a. aufgefunden hätten: den ehemaligen Reichsbank-Präsidenten u. Finanzminister Dr. Schacht, den Wehrmachts-Oberbefehlshaber in Belgien Generaloberst v. Falkenhausen u. den Pastor Niemöller.

     Im Dorf scheint sich die Lage weiter zu beruhigen. Die Russen haben am Dorfeingang nach Althagen zu einen Schlagbaum errichtet, dessen Zweck mir nicht verständlich ist. In Wustrow haben sie, so viel ich bisher gehört habe, zwei Häuser in der Strandstraße beschlagnahmt [2] u. zwar das Strandheim u. das Haus Lettow. Natürlich wurde gestern hier erzählt, die ganze Strandstraße sei „enteignet“ worden. Abends kam Dr. Ziel u. stellte die Sache richtig. Frau Dr. Hahn war in Wustrow gewesen u. hatte die Nachricht mitgebracht. Es scheint demnach so, als würde nun im Strandheim eine Ortsunterkunft für russ. Soldaten eingerichtet u. im Hause Lettow für den Stab eine Unterkunft geschaffen. Das ist alles. Ich habe mich nun aber darauf eingerichtet, daß auch unser Haus vielleicht beschlagnahmt werden könnte. In diesem Falle müßten wir alles an Wäsche u. Kleidung usw. aus den Fenstern werfen, da die Räumung sehr schnell vor sich gehen muß. In diesem Augenblick kommt Martha u. sagt, daß am Grenzwege bei uns ebenfalls heute ein Haus beschlagnahmt sei. Ich weiß nicht, welches, aber man hat den Leuten zwei Stunden Zeit gelassen, was vollauf genügen kann.

     Frau Dr. Hahn war in Wustrow beim Kommandanten, um einen Ausweis zu bekommen, daß sie ungehindert nach Wustrow fahren könne. Der Mann war höflich, wenn auch eiskalt, u. hat ihr gesagt, sie brauche dazu keinen Ausweis, sie könne ungehindert überall hingehen, aber es empfehle sich, nicht mit dem Rade zu fahren, da ihr dieses leicht von Soldaten abgenommen werden könne. Zu Fuß aber könne sie überall hingehen, wo russische Besatzung sei.

     Fischer Meyer fischt jeden Morgen, aber es ist nicht ungefährlich. Ich sah heute morgen vom Fenster aus, daß sein Boot unter Maschinengewehrfeuer genommen wurde. Die beiden Insassen warfen sich auf den Boden u. banden rasch ein Taschentuch an ein Ruder, mit dem sie winkten. Das Feuer hörte dann auf.

     Die Lebensmittel-Knappheit nimmt mehr + mehr zu, es kann das sehr schlimm werden. Gestern Nachmittag war Frau Nickstedt da, die dauernd in einer furchtbaren Angst lebt um ihre Tochter Brigitte. Die sonst so groben Züge dieser Frau sind durch diese Angst sehr veredelt worden, sodaß sie direkt schön aussieht. Auch Frau Beichter war vorgestern da, die ebenso Angst hat. Ich konnte diesen Frauen nur sagen, daß sie eben nun die Zähne aufeinanderbeißen müssen, zu helfen ist jetzt nicht mehr mit menschl. Hilfe. Ich habe ihnen gesagt, daß Martha u. ich täglich wenigstens einmal den Rosenkranz beten. Wir sind besorgt, haben aber keine Angst. Jetzt kann uns eben nur noch Gott selbst helfen, – u. wer sich bisher nicht um Gott gekümmert hat, der ist nun natürlich schlecht dran. – Auch Paul macht mir Sorge, er leidet sehr.

     5 Uhr Nachm. Es hat sich nichts von Bedeutung ereignet. Frau Margot Seeberg klagte mir, daß sie die Garderobe von Erich u. von ihrem Sohn Ando im Garten vergraben hätte, die Russen aber, die in ihr Haus garnicht gekommen sind, haben alles ausgegraben u. mitgenommen. Ich hatte ihr immer abgeraten, Sachen zu vergraben nun klagt sie, daß sie meinem Rat nicht gefolgt ist. Sie sagte mir ferner, daß unser Auto vor der Garrage von Mc. Dornan steht u. nur 3 Räder hat. Damit ist also auch das erledigt. – Herr Bachmann will mit einem Russen gesprochen haben, der ziemlich gut deutsch sprach. Dieser soll gesagt haben, es käme noch eine Besatzung von 300 Mann hierher, aber in absehbarer Zeit würden sie abziehen u. wir würden amerikanisch werden. Es wird wohl kaum jemand etwas dagegen haben, aber es scheint mir doch sehr zweifelhaft. Sabine Klein hat einen durchziehenden amerikan. Kriegsgefangenen [3] gesprochen u. ihm einen Brief an ihren Vater nach Amerika mitgegeben. Sie erzählte das überglücklich Martha in dem Augenblick, als die Tochter von Frau Stricker da war, die mit ihrer ganzen elterlichen Familie von je her wütende Nationalsozialistin u. Judenhasserin war. Sie ist nun dauernd auf der Flucht vor den Russen, denn sie ist sehr hübsch. Sabine Klein, die Judentochter, nahm sich ihrer sofort an, bot ihr Quartier an u. einen anderen Mantel, da der Mantel, den sie trägt, auffällig u. den Russen schon bekannt ist.

     Paul hat um 2 Uhr im Kurhause wieder Nachrichten gehört. Churchill wird heute um 3 Uhr sprechen. Es ist sehr schade, daß man von all dem nichts hört.

     Die Russen sollen heute Nachmittag draußen auf der Kuhweide eine Siegesfeier veranstalten. Sie werden dann wieder schwer besoffen sein. Hoffentlich passiert nichts.

     Heute Vormittag bereitete ich mich auf den morgigen Vortrag vor, nachher pflanzte ich Dahlien.

     Bei Dr. Helms am Grenzweg sind 5 Offiziere einquartiert u. auch draußen in der Kolonie soll es viele einquartierte Offiziere geben. Ich weiß nicht, was die vielen Offiziere hier tun, nachdem nirgends einfache Soldaten einquartiert sind. Diese scheinen alle in Althagen untergebracht zu sein, u. vor allem in Wustrow. Die Bevölkerung dort hat viel mehr zu leiden, als wir hier. Aber daß unser Haus bisher so völlig verschont geblieben ist, ist wirklich wie ein Wunder.