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in Wustrow Befehl bekommen, sich zu melden u. ihr Sohn, der 19 Jahre alt ist, hat es nicht getan, da die Eltern ja das Bauerngut in Althagen haben u. er sagen kann, daß er dort war. Man kann aber annehmen, daß auch die Männer aus Nie= u. Althagen u. aus Ahrenshoop sich melden müssen. Der junge Umnus will flüchten u. will versuchen, die Amerikaner, bzw. Engländer zu erreichen. Ich habe davon abgeraten, es ist unwahrscheinlich, daß er durchkommt.

     Frau U. wußte allerhand Nachrichten über Unstimmigkeiten zwischen Russen u. Anglo-Amerikanern insbesondere über die Besatzungszonen. Danach hätten die Russen eigentlich nur bis zur Westgrenze Pommerns besetzen dürfen u. sie wollen nun nicht mehr aus Rostock raus. Aber das alles sind ja Gerüchte u. ganz unkontrollierbar. Es wird furchtbar viel erzählt u. wenn man näher hinsieht, ist alles nicht wahr. So hat man erzählt, die Russen hätten den Hof unseres Bauern Paetow völlig ausgeplündert u. den alten Mann zum Schluß erhängt. Nichts davon ist wahr. Nur das stimmt, daß bis heute Nachmittag 4 Uhr alle Waffen abgegeben sein sollen. Martha u. ich haben eben vorsichtshalber Fritzens Zimmer durchsucht, haben aber nichts gefunden. Ich entsinne mich auch nicht, bei Fritz je eine Waffe gesehen zu haben.

Montag, 7. Mai 1945     

     9 Uhr morgens. Die Lage beruhigt sich mehr u. mehr. Gestern Nachmittag ging ich zu Frau Longard, die ich ganz wohl fand. Nachdem sich nun alles ereignet hat, ist sie viel ruhiger geworden. Sie hat natürlich auch mehrfach Besuch gehabt von den durchziehenden Tross=Soldaten, die Uhren, Ringe u. a. Schmucksachen geräubert haben u. auch den Frack-Anzug ihres Schwiegersohnes Pof. Kemper, den Frau Kemper neben anderen Sachen mit viel Mühe von Berlin hierher geschleppt hat, aber es ist sonst nichts geschehen. Es ist ja typisch, daß diese Bolschewisten grade einen Frack-Anzug klauen, darin offenbart sich die proletarische Sehnsucht nach der Bürgerlichkeit.

     Am Spätnachmittag kamen Frau Korsch u. Frau Masurek, die von ihren Erlebnissen erzählten. Auch ihnen ist nichts geschehen. Dann kam Herr Deutschmann, der sich nun wohl erhöhte Mühe gibt, mit uns gut zu stehen. Er wußte aber sonst auch nichts Neues. Während er hier war, kam die aufgeregte Frau Daubenspeck, die natürlich einen Korb voll Neuigkeiten wußte, aber alles belanglose Geschichten. Es sind gewiß hier u. da üble Dinge passiert, besonders im Hoffmannschen Hause, bei Knecht u. auch bei unserem Nachbar Brandt, aber was sonst erzählt worden ist, stellt sich gewöhnlich als maßlose Uebertreibung heraus. Spangenberg haben sie allerdings fast die ganze Garderobe gestohlen.

     Abends holte ich die letzte Flasche Wein, es war der Met-Wein, den wir vor einem Jahre zu Weihnachten von Betty Thomas aus Thorn bekamen. Wir haben nun bloß noch drei Flaschen franz. Sekt u. vier Flaschen Cognac. Paul u. Grete waren bei uns bis etwa 9 Uhr. Martha u. ich beteten dann noch gemeinsam einen Rosenkranz u. gingen dann schlafen.

     Sehr dumm ist es, daß man fast garkeine Nachrichten hört. In Swinemünde soll noch immer gekämpft werden u. auch sonst noch soll es einzelne Widerstandsnester geben, aber im großen Ganzen scheint doch überall Waffenruhe zu herrschen. Ob Paulus oder sonst jemand eine Regierung gebildet hat, ist nicht bekannt. Sobald das der Fall sein wird, wird doch wohl auch sofort der endgültige

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Hans Brass: TBHB 1945-05-06. , 1945, Seite 004. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-05-07_001.jpg&oldid=- (Version vom 25.8.2024)