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hat. Damit ist also, der „beste Mann“ u. „der getreueste Vasall“ u. „mein Freund Goering“ ausgeschieden; aber er wird sich damit nicht retten. Hitler scheint tatsächlich in Berlin zu sein, ebenso Goebbels. Wo Himmler steckt, weiß man nicht. Nachdem er jetzt seine SS u. Gestapo u. die Polizei nicht mehr besitzt, ist er eine bedeutungslose Figur geworden. Bormann, Ley u. einige andere sollen in Süddeutschland sein, wo überhaupt die Masse der prominenten Pg's. zu stecken scheint, aber die Bevölkerung ist sehr unsicher geworden. Die Amerikaner scheinen keinen großen Widerstand mehr zu finden, sie haben Regensburg eingeschlossen u. stehen vor Passau u. München. Im Norden haben sie offenbar den Vormarsch eingestellt, mit Ausnahme bei Hamburg, wo sie östlich weiter nach Norden durchstoßen. Weiter scheint ihr Ehrgeiz nicht zu gehen. In Berlin wird immer noch gekämpft, aber es scheint nur noch der alte Westen u. das Tiergarten-Viertel in unserem Besitz zu sein. –

Gestern Nachmittag war Frau Korsch da u. erzählte mir, daß ihr Herr Wituchter folgendes aus eigener Erfahrung berichtet habe: irgendwo im Osten sind einige Krankenschwestern zurückgeblieben u. in russ. Hände gefallen. Alle sind von den Russen höflich u. respektvoll behandelt worden, keiner ist ein Haar gekrümmt worden, auch wurde ihnen nichts gestohlen, sondern sie sind von den Russen gut verpflegt u. in jeder Weise versorgt worden. Die Schwestern haben die Russen nach den Kriegsgefangenen befragt. Der russ. Kommissar hat geantwortet, daß es den Gefangenen sehr gut ginge, sie hätten gearbeitet u. hätten z.B. Stalingrad bereits wieder vollständig aufgebaut. Sie würden nach dem Kriege entlassen werden u. würden uns dann selbst berichten können, daß es ihnen gut gegangen wären. Die Schwestern haben gefragt, warum die Gefangenen nicht Schreiben dürften, worauf der Kommissar antwortete, es geschehe das zum Schutz vor Spionage. – Die Stadt wurde dann für kurze Zeit wieder von den Deutschen zurückerobert. Die Russen haben sich freundlich von den Schwestern verabschiedet. Als dann die Deutschen kamen, mußten die Schwestern zu Fuß nach dem Westen abmarschieren, – sie wären viel lieber dort geblieben.

     Heute Vormittag besuchte mich das Ehepaar Borchers. Er ist nun vom Militär entlassen, da es unmöglich ist, das kaputte Glasauge zu reparieren. So ist das alles zu seinem Besten gewesen. Aber mehr noch ist seine ganze Strafe zu seinem Besten gewesen. Er sieht heute viel besser aus, als ich ihn jemals gekannt habe. Er ist dicker geworden, obwohl er ja, wie wir alle, nicht viel zu essen bekommt; aber das Essen schlägt jetzt besser an u. das gesunde Auge ist klar u. hat nicht mehr die Starrheit von früher. In seinem Charakter ist er ernster geworden u. Agnes erfährt nun, daß anhaltendes Gebet schon hilft. Sie gesteht das dankbar ein.

Sonnabend, 28. April 1945.     

     In Berlin wird immer noch gekämpft. Das Linden=Viertel, Leipzigerstraße, Tiergarten scheinen noch in unserem Besitz zu sein. Das Elend unter der Bevölkerung, die keine Nahrungsmittel hat, nicht kochen kann u. das Wasser aus der verseuchten Spree u. dem Landwehrkanal nehmen muß, ist furchtbar, aber diese gewissenlose Bande kämpft weiter. – Bremen ist jetzt gefallen. Im Süden dringen die Amerikaner weiter auf München vor, Regensburg soll genommen sein. Sie sind bereits

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Hans Brass: TBHB 1945-04-27. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-04-28_001.jpg&oldid=- (Version vom 19.7.2024)