Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1945-04-27
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Entstehungsdatum: 1945
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Originaltitel: Freitag, 27. April 1945.
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 27. April 1945
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Einführung

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Der Artikel TBHB 1945-04-27 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 27. April 1945. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.

Tagebuchauszüge

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[1]
Freitag, 27. April 1945.     

[1]      Gestern erschien ganz überraschend Traugott Wendt, der Sohn von Karl-Ernst Wendt, Pfarrer in Blumberg, Martha's Vetter. Er ist ein hoch aufgeschossener, junger Mensch von 20 Jahren, etwas verhungert wie die meisten Menschen heute in Deutschland, aber mit einem ganz reinen u. unverdorbenen Jungens-Gesicht. Er ist Unteroffizier u. Offiziersanwärter u. ist eben jetzt von seinem Ersatz-Truppenteil bei Wismar in Marsch gesetzt worden zum Regiment in Windau. Es ist kaum zu glauben, daß man jetzt noch Leute nach Kurland schickt, – aber es ist so. Er war auf dem Marsch durch Ribnitz u. machte den Abstecher zu uns. Er blieb die Nacht über u. ging heute früh um 5 Uhr wieder nach Wustrow zurück, von wo er mit dem Dampfer nach Ribnitz fuhr, um von dort vielleicht Swinemünde zu erreichen, von wo dann vielleicht noch ein Schiff nach Kurland auslaufen mag. Das ist aber sehr unwahrscheinlich, denn heute früh hieß es, daß die Russen Stettin genommen haben u. weiter im Vordringen nach Westen sind. Traugott hofft natürlich, daß er nicht mehr nach Kurland kommen wird u. beeilt sich nicht besonders, nach Swinemünde zu kommen. Er erzählte, daß sein Vater Karl-Ernst in Blumberg geblieben ist, während die Mutter auf Rügen untergekommen ist. Blumberg ist inzwischen in russischer Hand. –

     Unser Ofen in der Waschküche ist heute morgen fertig geworden. Wir haben nun auch Ringe für das kleinere Ofenloch bekommen, nur für das größere fehlen sie noch.

     Heute früh hörten wir als Wichtigstes, daß Hermann Göring wegen „Herzkrankheit“ seine Aemter niedergelegt [2] hat. Damit ist also, der „beste Mann“ u. „der getreueste Vasall“ u. „mein Freund Goering“ ausgeschieden; aber er wird sich damit nicht retten. Hitler scheint tatsächlich in Berlin zu sein, ebenso Goebbels. Wo Himmler steckt, weiß man nicht. Nachdem er jetzt seine SS u. Gestapo u. die Polizei nicht mehr besitzt, ist er eine bedeutungslose Figur geworden. Bormann, Ley u. einige andere sollen in Süddeutschland sein, wo überhaupt die Masse der prominenten Pg's. zu stecken scheint, aber die Bevölkerung ist sehr unsicher geworden. Die Amerikaner scheinen keinen großen Widerstand mehr zu finden, sie haben Regensburg eingeschlossen u. stehen vor Passau u. München. Im Norden haben sie offenbar den Vormarsch eingestellt, mit Ausnahme bei Hamburg, wo sie östlich weiter nach Norden durchstoßen. Weiter scheint ihr Ehrgeiz nicht zu gehen. In Berlin wird immer noch gekämpft, aber es scheint nur noch der alte Westen u. das Tiergarten-Viertel in unserem Besitz zu sein. –

Gestern Nachmittag war Frau Korsch da u. erzählte mir, daß ihr Herr Wituchter folgendes aus eigener Erfahrung berichtet habe: irgendwo im Osten sind einige Krankenschwestern zurückgeblieben u. in russ. Hände gefallen. Alle sind von den Russen höflich u. respektvoll behandelt worden, keiner ist ein Haar gekrümmt worden, auch wurde ihnen nichts gestohlen, sondern sie sind von den Russen gut verpflegt u. in jeder Weise versorgt worden. Die Schwestern haben die Russen nach den Kriegsgefangenen befragt. Der russ. Kommissar hat geantwortet, daß es den Gefangenen sehr gut ginge, sie hätten gearbeitet u. hätten z.B. Stalingrad bereits wieder vollständig aufgebaut. Sie würden nach dem Kriege entlassen werden u. würden uns dann selbst berichten können, daß es ihnen gut gegangen wären. Die Schwestern haben gefragt, warum die Gefangenen nicht Schreiben dürften, worauf der Kommissar antwortete, es geschehe das zum Schutz vor Spionage. – Die Stadt wurde dann für kurze Zeit wieder von den Deutschen zurückerobert. Die Russen haben sich freundlich von den Schwestern verabschiedet. Als dann die Deutschen kamen, mußten die Schwestern zu Fuß nach dem Westen abmarschieren, – sie wären viel lieber dort geblieben.

     Heute Vormittag besuchte mich das Ehepaar Borchers. Er ist nun vom Militär entlassen, da es unmöglich ist, das kaputte Glasauge zu reparieren. So ist das alles zu seinem Besten gewesen. Aber mehr noch ist seine ganze Strafe zu seinem Besten gewesen. Er sieht heute viel besser aus, als ich ihn jemals gekannt habe. Er ist dicker geworden, obwohl er ja, wie wir alle, nicht viel zu essen bekommt; aber das Essen schlägt jetzt besser an u. das gesunde Auge ist klar u. hat nicht mehr die Starrheit von früher. In seinem Charakter ist er ernster geworden u. Agnes erfährt nun, daß anhaltendes Gebet schon hilft. Sie gesteht das dankbar ein.