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geschwollen, nachdem er sich nach der bevorstehenden Niederlage Japans im Rücken frei fühlt. Andererseits ist es nicht gut denkbar, daß die Alliierten sich jetzt grade so zanken werden, daß alle Erfolge dadurch in Frage gestellt werden. Eher halte ich es für möglich, daß man im letzten Augenblick die San-Franzisko-Konferenz vertagen wird. Der Konflikt Amerika-Rußland bleibt dann freilich in der Schwebe u. muß eines Tages zum Ausbruch kommen. –

Gestern war Herr Gräff bei mir u. bat mich um die Anfertigung von zwei Schildern für eine „Panzer-Melde-Stelle“, die lt. Verfügung angebracht werden sollen. Dabei erzählte er mir eine mysterisöse Geschichte, die sich im Dorf ereignet hat. – Am Sonnabend ist der alte Garloff aus Born mit seinem Gespann nach Wustrow gefahren, um dort eine Kiste Butter abzuholen. Garloff hat sich zu seinem bisherigen Pferd ein neues zugelegt, das sehr wild sein soll. Garloffs Tochter war auch mitgefahren, aber auf dem Fahrrade. Auf dem Rückweg von Wustrow nach Born ist die Tochter vorausgefahren. Als sie im Darss in die Nähe der Drei Eichen kam, ist der Wagen mit den Pferden ohne den Vater u. auch ohne die Butterkiste ebenfalls dort angekommen. Die Tochter hat das Gespann angehalten, hat ihr Rad auf den Wagen geladen u. ist merkwürdigerweise nach Born weiter gefahren, ohne sich um den Verbleib des Vaters u. der Butterkiste weiter zu kümmern. – Prof. Reinmöller kam indessen von einem Spaziergang aus dem Darss zurück u. fand den alten Garloff tot am Wege liegen. Er benachrichtigte die Batterie, die die Leiche dann mit Fuhrwerk in den Schuppen auf unserem Friedhof brachte, von wo sie dann noch in der Nacht von Frau Garloff abgeholt wurde. Die Butterkiste blieb verschwunden. – Gräff benachrichtigte die Gendarmerie. Einer der Zollbeamten traf dann – ich weiß nicht wann – zwei Leute im Darss, die mit Geldzählen beschäftigt waren. Es kam ihm verdächtig vor u. da die Leute keine genügende Auskunft geben konnten, beschlagnahmte er das Geld, etwa 400,– Rm. Diese beiden Leute sind Flüchtlinge, die hier im Orte wohnen. Später sah derselbe Zollbeamte einen Althäger Fuhrmann mit einer Holzfuhre durch das Dorf kommen. Er hielt ihn an u. fand auf dem Wagen die Butterkiste, die der Fuhrmann mit seinem Rock zugedeckt hatte. Er gab an, dieselbe im Darss in der Gegend gefunden zu haben, wo die Ahrenshooper ihr Holz werben, wobei auffällig ist, daß der Althäger Fuhrmann in dieser Gegend nichts zu suchen hatte, da die Althäger in einer ganz anderen Gegend Holz werben. In der Butterkiste fehlten bereits etwa 8 Pfund Butter.

     Es kann nun ganz gut so sein, daß der alte Garloff einen Schlaganfall bekommen hat u. vom Wagen gefallen ist. Oder es kann auch sein, daß das neue, sehr wilde Pferd durchgegangen ist u. Garloff heruntergestürzt ist u. sich das Genick gebrochen hat. Es könnte dann die Kiste herabgefallen sein, irgend jemand hat sie gefunden u. versteckt, um sie später zu holen. Woher die Leute mit dem Gelde aber zu diesem Gelde gekommen sind, weiß man nicht. Jedenfalls ist die Geschichte noch sehr unaufgeklärt.

     Grete wollte heute früh 4 Uhr mit dem Batterie-Auto nach Rostock fahren, um ihre Tochter Eva mit dem Kinde abzuholen, aber aus irgend einem Grunde fuhr bloß ein kleiner Wagen u. sie kam unverrichteter Dinge wieder zurück. Sie wurde auf Freitag vertröstet. Es heißt, daß

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Hans Brass: TBHB 1945-04-24. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-04-24_002.jpg&oldid=- (Version vom 18.7.2024)