Seite:HansBrassTagebuch 1945-04-23 001.jpg

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

dicklicher, propper u. gepflegt aussehender Herr mit einer Glatze u. stellte sich vor als ein Maler aus Düsseldorf mit Namen Buddé oder so ähnlich. Er gab an, vor einiger Zeit in Düsseldorf total ausgebombt worden zu sein. Er sei dann als Gast zu irgend einem Maler nach Frankfurt-O. gegangen, seine Familie –, er sprach von zwei Söhnen, – sei noch in Düsseldorf. Er sei dann aus Frankf-O. vor den Russen geflohen u. sei nach Lübz in Mklbg. gekommen, wo er krank geworden sei. Dort hat er die Tochter von Frau Elsbeth Grimm irgendwie kennen gelernt u. diese habe ihm gesagt, er solle nach Ahrenshoop gehen u. sich bei uns melden. Wir konnten ihn bei uns nicht mehr unterbringen, aber zufällig war Frau Longard da, die noch ein Zimmer u. ein Bett frei hatte u. so nahm sie diesen Mann mit zu sich. – Mir kommt die Geschichte etwas merkwürdig vor. Ich schätze den Mann auf etwa 45 Jahre u. es ist nicht einzusehen, warum er nicht Soldat ist. Mindestens müßte er doch Volkssturm-Mann sein. Vielleicht ist er Deserteur? Solche soll es ja jetzt zahllose geben. Auch drüben im Hause Lange ist ja Herr Heide, der Mann einer der Töchter der Frau Lange, der eines Tages hier auftauchte u. Elektrotechniker sein will. Er bastelt jedenfalls an den Radio-Geräten herum, wenn sie kaputt sind, aber er machte nie einen sehr vertrauenerweckenden Eindruck. Eines Tages wurde er dann Soldat u. jetzt ist er plötzlich auch wieder hier. Niemand weiß recht, wieso. Er hat Martha erzählt, daß sein Regiment irgendwo in Thüringen aufgerieben worden sei. Er selbst sei dann ins Lazarett gekommen u. dieses Lazarett soll ihn einfach in die Heimat entlassen haben. Auch diese Geschichte ist sehr unwahrscheinlich.

     Herr Buddé kennt jedenfalls den Maler v. Perfall u. sprach über ihn so, daß ersichtlich ist, daß er ihn wirklich näher kennt. Auch spricht er rheinisch. Das stimmt also. Was aber sonst mit ihm los ist, muß sich erst erweisen.

Montag 23. April 1945.     

     Der Kampf um Berlin scheint sehr viel rascher zu gehen als man annehmen konnte. Die Russen sind bereits weit in die Stadt eingedrungen u. sind am Friedrichshain, Warschauer Brücke uw, auch Weissensee haben sie. Im Norden haben sie Hermsdorf, Frohnau usw. u. auch vom Süden dringen sie in die Stadt ein. Dort sollen sie nur etwa 30 km. von den Anglo-Amerikanern sein, aber wo diese stehen, ist nicht bekannt. – An der Elbe von nördl. Magdeburg bis Hamburg scheinen auf unserer Seite noch ziemlich starke Kräfte zu stehen, denn es ist den Engländern dort immer noch nicht gelungen, die Elbe zu überqueren. In Berlin scheinen dagegen unsere Truppen großenteils kampflos die Waffen zu strecken, auch scheinen sehr viele bewaffnete Fremdarbeiter in den Kampf einzugreifen. – Sonst sind an den übrigen Fronten anscheinend keine wesentlichen Veränderungen mit Ausnahme von Baden, wo die Franzosen, von Norden vordringend, Freiburg genommen haben u. weiterhin den Bodensee erreicht haben. Damit dürfte also Fritz wohl bereits in Gefangenschaft sein u. somit hoffentlich das Schicksal seiner Brüder Kurt u. Klaus teilen. – Von besonderer Bedeutung ist die Nachricht, daß die Japaner schon wieder eine neue Regierung gebildet haben, welche Verhandlungen mit England + Amerika

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1945-04-22. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-04-23_001.jpg&oldid=- (Version vom 18.7.2024)