Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1945-04-22
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Entstehungsdatum: 1945
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Originaltitel: Sonntag, d. 22. Apr. 1945.
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 22. April 1945
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Einführung

Der Artikel TBHB 1945-04-22 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 22. April 1945. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über zwei Seiten.

Tagebuchauszüge

[1]
Sonntag, d. 22. Apr. 1945.     

[1]      Heute schreibe ich zum ersten Male nicht mehr an Fritz, denn es hat keinen Zweck mehr. Heute früh um 4 Uhr hörte ich, daß die Russen unmittelbar vor Berlin stehen, u. zwar im Osten + im Süden. Es wird bereits in den Vororten gekämpft. Es heißt, daß bewaffnete Arbeiter in der Gegend Warschauer Brücke zum Aufruhr übergegangen seien. Polizeitruppen sind dagegen eingesetzt worden, doch sollen diese dann wieder zurückgezogen worden sein, wahrscheinlich, weil sie, wie ich annehme, sich geweigert haben werden, zu schießen. In Berlin u. überhaupt an der Ostfront sollen zahlreiche deutsche Offiziere, die sich bisher in russ. Kriegsgefangenschaft befanden, mit Fallschirm abgesetzt worden sein. Sie tragen ihre deutschen Uniformen u. organisieren den Widerstand gegen die Regierung. Weiter nördlich, besonders im Raume östl. Dresden sind die Russen ebenfalls mit starken Kräften vorgestoßen u. stehen dicht vor Dresden, sodaß eine Vereinigung mit den Amerikanern jetzt stündlich zu erwarten ist. Damit ist praktisch die Verbindung zwischen Nord + Süd unterbrochen. Für uns hier oben ist besonders wichtig, daß die Russen südl. Stettin die Oder überschritten haben. Man kann nun Wetten abschließen, wer zuerst hier bei uns sein wird, die Russen oder die Engländer. Die Engländer + Amerikaner müssen wohl erst ihren Nachschub organisieren, der schwierig sein muß, weil das Ruhrbecken die Hauptstraßen u. Eisenbahnen blockiert hat. Aber dieses Becken ist nun liquidiert. Im Süden sind die Amerikaner weiter vorgestoßen in den Schwarzwald hinein. Sie werden dort alles abschneiden, was noch am Oberrhein steht, also auch Fritz. Möge Gott ihn schützen. Eine Landung im Norden ist immer noch nicht erfolgt. –

     Gestern hat Kapitänlt. Dr. Krappmann seine Frau u. seine Kinder u. seine ganzen Habseligkeiten mit einem Lastauto von Bachmann abtransportieren lassen, irgendohin zwischen Kiel u. Lübeck. Er selbst ist gestern angeblich dienstlich nach Dänemark gefahren. Frl. Regina Treffer, die Nachrichten-Helferin, die heute wie meist in der Andacht war, erzählte, daß alle Helferinnen entlassen werden sollen; da aber alle ausgebombt sind u. ihre Familien irgendwo als Flüchtlinge leben, wissen sie nicht, wohin sie sollen. Von den Vorgesetzten sagte sie: „die reißen ja alle nach Dänemark aus“. Das ist der Eindruck, den die Leute haben, wenn ihre Offiziere jetzt plötzlich dienstlich in Dänemark zu tun haben. Immerhin wäre es ganz gut so, denn wenn die Soldaten führerlos sind, werden sie nicht kämpfen u. das wäre das Beste.

     Man kommt sich vor wie in einer Irrenanstalt, wenn man angesichts dieser Lage ausgerechnet gestern im Rost. Anzeiger die Rede von Dr. Goebbels zum Geburtstage des Führers liest u. die Wirkung beobachtet, die diese Rede auf einen Teil der Volksgenossen gemacht hat. Anstatt in schallendes Gelächter auszubrechen oder in empörte Wut, laufen die Weiber herum mit glänzenden Augen u. schwärmen wie brünstige Backfische von unserem Führer. „Die Frau des Bürger= u. Malermeisters“ Emil Gräff tut sich darin am lautesten hervor. Ich habe seit 1933 gelernt, daß dieses Volk wirklich unerlaubt dumm ist, aber wie dumm es ist, das sieht man erst heute.

     Gestern Nachmittag erschien ein etwas merkwürdiger, [2] dicklicher, propper u. gepflegt aussehender Herr mit einer Glatze u. stellte sich vor als ein Maler aus Düsseldorf mit Namen Buddé oder so ähnlich. Er gab an, vor einiger Zeit in Düsseldorf total ausgebombt worden zu sein. Er sei dann als Gast zu irgend einem Maler nach Frankfurt-O. gegangen, seine Familie –, er sprach von zwei Söhnen, – sei noch in Düsseldorf. Er sei dann aus Frankf-O. vor den Russen geflohen u. sei nach Lübz in Mklbg. gekommen, wo er krank geworden sei. Dort hat er die Tochter von Frau Elsbeth Grimm irgendwie kennen gelernt u. diese habe ihm gesagt, er solle nach Ahrenshoop gehen u. sich bei uns melden. Wir konnten ihn bei uns nicht mehr unterbringen, aber zufällig war Frau Longard da, die noch ein Zimmer u. ein Bett frei hatte u. so nahm sie diesen Mann mit zu sich. – Mir kommt die Geschichte etwas merkwürdig vor. Ich schätze den Mann auf etwa 45 Jahre u. es ist nicht einzusehen, warum er nicht Soldat ist. Mindestens müßte er doch Volkssturm-Mann sein. Vielleicht ist er Deserteur? Solche soll es ja jetzt zahllose geben. Auch drüben im Hause Lange ist ja Herr Heide, der Mann einer der Töchter der Frau Lange, der eines Tages hier auftauchte u. Elektrotechniker sein will. Er bastelt jedenfalls an den Radio-Geräten herum, wenn sie kaputt sind, aber er machte nie einen sehr vertrauenerweckenden Eindruck. Eines Tages wurde er dann Soldat u. jetzt ist er plötzlich auch wieder hier. Niemand weiß recht, wieso. Er hat Martha erzählt, daß sein Regiment irgendwo in Thüringen aufgerieben worden sei. Er selbst sei dann ins Lazarett gekommen u. dieses Lazarett soll ihn einfach in die Heimat entlassen haben. Auch diese Geschichte ist sehr unwahrscheinlich.

     Herr Buddé kennt jedenfalls den Maler v. Perfall u. sprach über ihn so, daß ersichtlich ist, daß er ihn wirklich näher kennt. Auch spricht er rheinisch. Das stimmt also. Was aber sonst mit ihm los ist, muß sich erst erweisen.