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Freitag, 9. Febr. 1945.     

     Endlich hat man angefangen, die Stromzufuhr zu regeln. Früh um 7 Uhr wird gesperrt, um 10 Uhr soll es wieder Strom geben, damit man Essen kochen kann, dann wird wieder gesperrt bis 7 Uhr Abends. Aber schon gestern klappte es nicht, indem es erst von 8 Uhr an Abends Strom gab, bis dahin sitzt man im Dunklen. Wir stehen nun eine Stunde früher auf, damit wir vor 7 Uhr früh noch das Frühstück fertig machen können.

Amtlich ist nun von engl. Seite bekannt gemacht worden, daß die Dreierkonferenz tagt, u. zwar, im Raume des Schwarzen Meeres. Eines der engl. Flugzeuge dorthin ist verunglückt, wobei 15 Personen ums Leben gekommen sind, lauter Beamte des auswärtigen Amtes, die zur Konferenz unterwegs waren. Man hat unwillkürlich den Eindruck, als handele es sich um einen Sabotage=Akt u. atmet erleichtert auf, daß es nicht das Flugzeug von Churchill oder Roosevelt war. –

     Gestern Abend Fliegeralarm. Starke Verbände flogen über uns ein, anscheinend in östl. Richtung. Es wurde erst gegen 1 Uhr Nachts entwarnt. Ich hörte auch starken Kanonendonner aus der Richtung Kiel. –

     Die Atempause im Osten hält weiterhin an. Nur aus ihrem Brückenkopf südöstl. Breslau greifen die Russen an, sowie bei Küstrin u. Frankfurt, wo sie Fortschritte gemacht haben. Sie wollen wohl diese beiden Städte unbedingt nehmen, ehe der letzte Stoß erfolgt. Auch in Pommern u. Ostpreußen wird gekämpft, aber diese Kämpfe haben mehr örtlichen Charakter. – Im Westen wird ebenfalls gekämpft, doch sind es auch dort Kämpfe, die vorbereitenden Charakter haben.

     Heute ist es eine Woche her, daß wir von Fritz die letzte Nachricht hatten. Man ist immer in Sorge.

     Gestern brachte uns Frau Ziel einen langen Brief von ihrer Tochter Marianne Clemens mit der Beschreibung ihrer wahrhaft abenteuerlichen Reise nach Hamburg. Sie ist aber gut dort angekommen. – Paul hatte eine Karte von seiner Schwester, die dem furchtbaren Angriff auf Berlin glücklich entronnen ist. –

     Vor einigen Tagen erzählte mir Frau Korsch etwas sehr Wichtiges. Ihr Mann hat gute, persönliche Beziehungen zur finnischen Gesandtschaft. In diesen Tagen ist nun ein Finne nach Bln. gekommen u. hat ihm über das Leben dort berichtet. Er hat gesagt, daß es allen Menschen dort sehr gut geht, ja, daß es ihnen seit vielen Jahren nicht mehr so gut gegangen wäre. – Das entspricht genau dem, was ich stets behauptet habe, aber es ist das genaue Gegenteil von dem, was unsere gewissenlose u. verbrecherische Propaganda behauptet. Für diese Halunken darf es natürlich keine anständigen u. gesitteten Russen geben u. es wird in der gewissenlosesten Weise das Blaue vom Himmel gelogen, um im Volke Furcht u. Schrecken vor den Russen zu verbreiten. Lieber sollen die Menschen das grauenvolle Elend eines Flüchtlingsdaseins auf sich nehmen, wobei Tausende elend zugrunde gehen, als daß sie ruhig in ihren Wohnungen bleiben, wenn die Russen kommen. Aber das furchtbare Elend dieser Flüchtlinge ist so groß u. für jedermann sichtbar, daß es jetzt schon viele Menschen gibt, die sagen, sie wollten sich dann lieber von den Russen töten lassen. – Auffällig ist aber, daß seit dieser letzten großen Offensive der Russen keine Gräuelmärchen mehr verbreitet werden.

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Hans Brass: TBHB 1945-02-09. , 1945, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-02-09_001.jpg&oldid=- (Version vom 8.7.2024)