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decken, auch wenn sich ergeben sollte, daß man darin zu weit gegangen sei. Nun ist der Bürgermeister von Breslau „wegen Feigheit vor dem Feinde“ in Breslau auf dem Marktplatz öffentlich erschossen worden. Näheres ist nicht bekannt, aber man wird wohl nicht fehlgehen, wenn man annimmt, daß dieser Bürgermeister sich dem Befehl widersetzt haben wird, Breslau zur militär. Festung zu erklären. –

     Gestern zum Religionsunterricht war Lothar Krappmann da u. die beiden Jungens der Frau Sommerhof. Diese beiden sind ganz reizende Jungens, während Lothar in erschreckender Weise verbildet ist. Das Köpfchen dieses Knaben ist vollgepfropft mit einer Unmenge von Wissen, das beziehungslos darin liegt u. das er selbstgefällig hervorholt u. zeigt. Noch ist er Kind, aber es wird nicht mehr lange dauern, dann wird er ein arroganter u. eingebildeter Bengel sein.

     Abends feierten Martha u. ich unseren 24. Jahrestag bei einer Flasche sehr gutem Rheinwein, den wir im vorigen Jahre von Frau v. Paepke geschenkt bekamen. Paul u. Grete waren bei uns u. wir erzählten ihnen von unseren früheren Zeiten.

Mittwoch, 31. Januar 1945     

     Gestern Abend Nachricht von Fritz, der nun begonnen hat seine Briefe zu nummerieren. Dieser Brief ist Nr. 3, sodaß also ersichtlich ist, daß zwischendurch Brief Nr. 2 noch nicht hier eingetroffen ist. – Dieser Brf. Nr. 3 ist vom 14.1.45 datiert u. es ist bemerkenswert, daß er an diesem Tage noch nichts von der am 12.1. begonnenen russischen Offensive wußte. Er schreibt im Gegenteil, daß er dort eine ruhige Woche hinter sich hatte, da er 2 km. hinter der Hauptkampflinie in Ruhe liegt, bis der Ersatz in Form eines Marschbataillons eintrifft. Fr. schreibt, daß er aus den Resten einer Volksbibliothek eine Bibliothek für seine Einheit beim Tross eingerichtet habe u. daß sie auch ihre früheren Motorfahrzeuge wieder zurückbekommen haben, wenigstens einen Teil davon. – Feldw. Stegmiller ist in Kolmar, der Stabsarzt scheint im Augenblick besserer Laune zu sein. Fr. liegt mit seiner Einheit offenbar in einem Dorf in der Nähe von Kolmar, darüber wird er sicher in Brf. Nr. 2. geschrieben haben, sie liegen in Höhlen u. zerschossenen Häusern, auch Zivilbevölkerung gibt es noch, die in zerfallenen Kellern haust. Auch in Kolmar sind Flüchtlinge wieder zurückgekehrt, es erscheint sogar eine Zeitung u. auch die Post funktioniert wieder. –

     Gestern Abend um 1015 Uhr hielt der Führer ganz unerwartet eine Rede zum 12. Jahrestag der Machtergreifung. Er sprach nur kurz, seine Stimme klang müde u. er sprach wie einer, der böse ist. Er stellte zuerst seine sogenannten Erfolge seit der Machtergreifung in den Vordergrund, in der Hauptsache also die Aufrüstung, u. sprach dann vom jüdischen Bolschewismus, der seiner friedlichen Aufbauarbeit nur 6 Jahre Frieden gegönnt habe u. vom Haß der Plutokratien. Dann schimpfte er auf die „Pazifisten“, die er Strohköpfe nannte u. mit Schafen verglich usw., u. er schloß mit der Erwartung, daß die wehrfähigen Männer tapfer kämpfen, die Kranken aber um so mehr arbeiten sollten, besonders Frauen, Mädchen u. Kinder. Zwischendurch sagte er auch, daß jeder, der sich dieser Politik des Weiterkämpfens widersetze, erschossen

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Hans Brass: TBHB 1945-01-30. , 1945, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1945-01-31_001.jpg&oldid=- (Version vom 14.8.2024)