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Ich sprach lange mit der Frau u. ließ mir alles erzählen. Später kam noch eine andere Flüchtlingsfrau dazu mit ihren Kindern. Ich sah mir dann die kleine Leiche an, die in einer Halle zur ebenen Erde auf zwei zusammengestellten Bänken lag, ein hübsches Kind, wie schlafend. Es war alles sehr ärmlich, Frau Siegert hatte einige Blumen gebracht u. die Mutter hatte alles so schön u. gut hergerichtet, wie es unter diesen Umständen möglich ist. Die Frau hat an den Mann ein Telegramm geschickt, sie hofft, daß er bis Mittwoch hier sein wird. Am Donnerstag soll dann spätestens die Beerdigung sein u. es wird nichts anderes übrig bleiben, als daß ich diese Sache übernehme. –

     Die Russen sollen bei Budapest durchgebrochen sein. Heute haben wir die BuStu. auf zum Weihnachtsverkauf, von 12 Uhr an muß ich an der Kasse sitzen. Er hat Frost eingesetzt, – wenig erfreulich, besonders, da meine Winterjoppe nirgends zu finden ist.

     Am Sonnabend Brf. von Pfr. Dobczynski, – er wird wohl im Laufe dieser Woche aus dem Krankenhause entlassen werden, soll aber noch einige Monate lang nicht amtieren.

Mittwoch, 13. Dezember 1944.     

     Vorgestern von Schw. Gertrud Nachricht, daß sie ihren Bruder am 12. Dez. wieder von Greifswald nach Hause holen werde, der Arzt habe es erlaubt unter der Bedingung größter Schonung. Bis Mitte Januar etwa muß er sich ganz still verhalten, dann darf er wenig u. vorsichtig beginnen, etwas zu arbeiten. In 3 – 4 Monaten wäre dann eine Wiederherstellung der Gesundheit möglich. –

     Seit Montag ist das Geschäft zum Weihnachtsverkauf täglich von 10 – 1 Uhr offen u. ich sitze wieder mal an der Kasse. Es ist bitter kalt. Da der elektr. Strom aus Ersparnisgründen in dieser Zeit ausgeschaltet ist, kann man auch keinen Heizkörper einschalten. Es ist höchst widerlich. Dazu kommt noch, daß Nachmittags im Zimmer neben dem Atelier immer Kinderbetrieb ist. Im großen Hause sitzen ältere Damen im Eßzimmer u. machen irgend welche Weihnachtsarbeiten. Da ich das Atelier nicht gut verdunkeln kann, kann ich Nachmittags dort nicht gut sein. So habe ich, seit ich meine Wohnung an Küntzels abgetreten habe, keine Bleibe mehr u. sitze herum, ohne etwas Rechtes tun zu können. Martha ist viel im Geschäft, – so ist dieser Zustand wenig angenehm. – Spangenberg hatte mir Mist gebracht, den ich unter Rosen u. den Apfelbaum gebracht habe, auch in den Steingarten vor dem großen Hause.

     Der Gastwirt Holzerland war irgendwohin kommandiert worden, um als Ausbilder für den hiesigen Volkssturm ausgebildet zu werden. Gestern hat ihn aber das Militär eingezogen. – Dieser sog. Volkssturm ist sonst bisher hier noch nicht in Erscheinung getreten, außer bei der Vereidigung in Prerow. Es ist das alles Bluff, wenigstens hier bei uns – an der Front sollen ja schon seit längerer Zeit Abteilungen eingesetzt sein.

     Die Russen sollen jetzt in den Außenbezirken von Budapest kämpfen. Im Saarland scheinen die Amerikaner Fortschritte zu machen. – Es scheint, als wollte Frostwetter eintreten.

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Hans Brass: TBHB 1944-12-11. , 1944, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-12-13_001.jpg&oldid=- (Version vom 3.7.2024)