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muß immer wieder verlegt werden. Sein Regiment ist zum zweiten Male aufgerieben, mit dem Rest haben sie die Fühlung verloren, aber der Feldw. Kaplan Stegmiller ist ebenfalls am Verbandsplatz. Fritz schreibt, es sei möglich, daß sie alle aus diesem Hexenkessel nicht mehr herauskommen, wir sollten uns dann nicht beunruhigen, denn dann würde er eben mit dem ganzen Verbandsplatz in Gefangenschaft geraten sein. Dieser erste Brief ist noch auf französ. Gebiet geschrieben. Er meint, die Lage wäre wenig erfreulich, es mangele an guten Offizieren; aber der Kompanieführer, ein Leutnant, dem er am 17.11. unterstand, wäre sehr umsichtig gewesen, ohne ihn wäre seine Kompanie da schon in Gefangenschaft geraten. Fr. schließt diesen ersten Brief, er sei auf alles gefaßt u. er wisse, daß er in Gottes Hand sei. –

     Der zweite Brief beginnt mit dem 24.11. An diesem Tage hat er wunderbarerweise unsre Briefe vom 12.11. erhalten. Er schreibt, daß sie sich täglich weiter absetzen u. daß sie in dieser Nacht zum 25.11. französ. Boden verlassen würden. Er behauptet, daß Mühlhausen wieder frei sei, aber daß nun Straßburg in Gefahr wäre. Vielleicht waren meine Informationen, die ich schon am 23.11. notierte, unrichtig, nach denen die Franzosen von Mühlhausen weiter nach Norden vorstießen u. schon Colmar erreicht haben sollten. Jedenfalls stimmte nicht, was ich am 24.11. schrieb, daß die Franzosen Straßburg erreicht hätten, es waren vielmehr die Amerikaner, die bei Jabern durchgebrochen waren. –

     Dieser Brief ist dann am 27.11. fortgesetzt. Er schreibt, daß sie sich dauernd weiter abgesetzt hätten, daß aber jetzt diese Periode wohl abgeschlossen sei, – es hieße, daß es nun wieder vorwärts gehen solle. Ich habe freilich dafür keine Anzeichen bisher entdecken können, vielmehr heißt es, daß wir alle Vogesenpässe jetzt geräumt hätten. Fritz schreibt auch von Verlusten, die sie durch elsässische Terroristen gehabt hätten.

     Bei diesem Brief lag noch ein solcher vom 25.11., in dem er uns bittet, an die Familie seines Stabsarztes Dr. Kunze aus Dresden-Blasewitz ein Weihnachtspaket zu senden, was natürlich geschehen soll. –

     Gestern Abend war Prof. v. Walter bei uns. Er zeigte eine schöne, alte Ikone u. a. Bilder aus Petersburg u. Moskau. Er erzählte interessant von Rußland, insbesondere von der Lage der Kirche.

     Heute habe ich die letzten Knüppel des Knüppelholzes, das die Soldaten am Sonntag gebracht hatten, in den Hintergarten geschleppt, nun liegt bloß noch das Eichenholz vorne, das Richard gebracht hat.

Sonnabend, 9. Dezember 1944.     

     Gestern Abend Prof. Marcks. Sprachen über Politik u. die Möglichkeiten. Er ist ein sehr deutsch empfindender Mensch mußte aber zugeben, daß das Leben unter den Nazis unerträglich ist, – allerdings im Falle eines Bolschewismus noch unmöglicher. Ich versuchte, ihm klar zu machen, daß jedes Leben in Deutschland unmöglich sein würde, falls es nicht christlich ist. Er räumte wohl die Ueberlegenheit der röm. kathol. Kirche ein, meinte aber, daß der Protestantismus die christl. Ausprägung der nordischen Völker sei u. daß der Katholizismus sich erst von seinen römischen Einflüssen befreien müsse.

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Hans Brass: TBHB 1944-12-07. , 1944, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-12-09_001.jpg&oldid=- (Version vom 3.7.2024)