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Schriftstück abermals die Geschichte aufgetischt wird, daß diese Revolte die Sache eines ganz kleinen Kreises von Offizieren u. Politikern gewesen sei.

     Dann aber fühlt der Verfasser sich veranlaßt, die grausame u. entehrende Hinrichtung durch den Strang zu rechtfertigen, indem er sagt, es habe sich dabei weniger um ein Attentat gegen das Leben des Führers, als um ein Attentat gegen die heilige Sache des deutschen Volkes gehandelt, u. er erklärt mit kalter u. verblüffend unverschämter Stirn, daß er, der Führer, sich stets äußerst großmütig gegen seine politischen Führer verhalten habe, insbesondere gegen Sozialdemokraten. Eine solche Behauptung verschlägt einem freilich den Atem. Es scheint also, als hätte es in Deutschland niemals Konzentrationslager gegeben, oder wenn doch, als wären diese nur Wohltätigkeitsanstalten. – Man weiß nicht, ob man sich über die Unverschämtheit einer solchen Behauptung mehr wundern soll, oder um die Würdelosigkeit, mit der dieser Kerl jetzt bei den Sozialdemokraten u. Kommunisten um gutes Wetter bettelt. – Das ist der Inhalt dieser Proklamation, die als einziges Positivum sonst noch auf Mussolini, auf Salaszi, den Ungarn, auf Dr. Tiso, den Slowaken u. auf den kroatischen Führer hinweist u. natürlich auf unsere tapferen Verbündeten, die Japaner. Was die uns aber helfen sollen, übeläßt er der Fantasie des Lesers. –

     Heute wurde nun bekannt, daß unser letztes Schlachtschiff „Tirpitz“ sein Leben ausgehaucht hat. Es ist nach mehreren Explosionen gekentert, nachdem es drei Volltreffer von Sechstonnen-Bomben bekommen hat. Erich Seeberg wird kaum noch Hoffnung haben, seinen Sohn Bengt wiederzusehen. Ich bin gespannt, wann man den Verlust dieses Schiffes dem Volke mitteilen wird. –

     Heute endlich etwas besseres Wetter, sodaß ich die Dahlien rausnehmen konnte. Sehr anstrengend. –

     Am Montag Bleistiftstudie für eine neue Landschaft: Meeresküste. – Am Montag Abend bekam ich einige Farben u. Pinsel von Herrn v. Perfall aus Berchtesgaden, endlich auch Mastix-Firnis. – So viele Farben wie jetzt habe ich in meinem Leben noch nicht besessen.

     Abends kam Erika Schimpf-Seeberg. Erich Seeberg ist wegen Bengt ganz fassungslos, er fällt von einem Weinkrampf in den anderen. Es tut mir außerordentlich leid. Von diesem Mann, der nie ein Opfer gebracht hat u. immer nur seinem persönlichen Vorteil gelebt hat, wird nun das Opfer seines Sohnes verlangt. Es ist hier sehr das Walten Gottes spürbar. – Es ist kaum Hoffnung, daß der Sohn gerettet sein könnte. Von der 1200 Mann starken Besatzung sollen sich etwa 80 Mann gerettet haben. Da die Katastrophe sich am Sonntag-Vormittag ereignete, muß Bengt als Pfarrer auch an Bord gewesen sein. Uebrigens ist der Verlust des Schiffes – allerdings in einer abschwächenden Form, – heute von deutscher Seite zugegeben worden. – An der Liegestelle der Tirpitz bei Tromsoe war überhaupt keine Flak vorhanden, nur die eigene Schiffsflak war tätig, sie fiel aber nach dem ersten Volltreffer aus. Das Schiff liegt jetzt kieloben auf dem Grunde des Fjordes, der Kiel ragt aus dem Wasser.

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Hans Brass: TBHB 1944-11-14. , 1944, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-11-14_002.jpg&oldid=- (Version vom 1.7.2024)