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u. kluger junger Mann von etwa 30 Jahren erwies. Ich zeigte ihm meine Bilder, die er erstaunlich sachlich beurteilen konnte. Gegen 11 Uhr fuhr er nach Born, wo er noch eine Taufe hatte. Ueber den Gesundheitszustand des Pfr. Dobczynski konnte er nichts Gutes berichten, er schwebt dauernd in Lebensgefahr. Er hat Angina pectoris u. dazu noch einen zu hohen Blutdruck, sodaß wir annehmen müssen, daß wir ihn als Pfarrer nicht mehr wiedersehen werden. Selbst wenn er bei der guten Pflege, die er jetzt in Greifswald bei den Schwestern genießt, wieder einigermaßen hergestellt werden sollte, so wird er nach Ansicht des Paters sein Amt nicht mehr ausüben können. Pater Dr. Kurz sagte, daß unser Pfarrer in der Diözese berühmt wäre wegen seines Priestertums. – Wir sind sehr betrübt über die Aussicht, diesen Pfarrer verlieren zu sollen. –

     Gestern Abend wurde bekannt, daß die Ungarn um Waffenstillstand gebeten haben. Nun ist es also so weit! Die Lage ist heute verworren, denn in Budapest haben sich die ungarischen u. deutschen Nazis der Regierung u. des Rundfunks bemächtigt u. es kommt nun ganz darauf an, was die Armee tun wird. In jedem Fall kann eine Naziregierung den Zusammenbruch nur aufhalten, nicht verhindern. – Die Russen haben Petsamo erobert. –

     Am Freitag ist Duisburg Tag u. Nacht angegriffen worden, es wurde eine Bombenlast von 9500 Tonnen geworfen. Damit hat diese Stadt aufgehört, zu existieren. Aachen – Duisburg! soll es so weitergehen?

     Generalfeldmarschall Rommel ist seinen Verletzungen erlegen, die er s. Zt. an der Invasionsfront durch Fliegerangriff erlitten hat. Sein Tod wird bei uns als Autounfall dargestellt. –

     Heute wieder mit Schüler telephoniert. Die Pumpe ist nun wenigstens in der Fabrik, wenn sie zurückkommt, konnte er nicht sagen.

Mittwoch, 18. Okt. 1944.     

     Die Vorgänge in Ungarn sind weiter undurchsichtig. Durchsichtig ist nur, daß von uns betrügerisch gespielt wird, – wie nicht anders zu erwarten war. Der ungarische Reichsverweser v. Horty hat selbst am Rundfunk eine Proklamation verlesen, nach welcher er um Waffenstillstand gebeten habe, da Deutschland den Krieg offensichtlich verloren habe. Er hat die Soldaten aufgefordert, den Kampf einzustellen. Der Sender Budapest ist nun in deutschen Händen u. es wird behauptet, v. Horty habe widerrufen, er selbst hat aber nichts dergleichen gesagt. Die ungarischen Nazis, die sog. Pfeilkreuzer, haben Horty abgesetzt u. einen anderen Mann aus ihren Reihen eingesetzt, der nun die Fortsetzung des Kampfes betreibt. Wie weit die Offiziere u. Soldaten diesem Manne folgen werden, ist bis jetzt noch nicht zu erkennen, nur der Befehlshaber der I ungar. Armee ist mit seinem Stabschef u. einigen anderen Offizieren zu den Russen übergegangen. Die ungar. Gesandtschaft in Stockholm hat erklärt, daß sie mit dieser neuen Regierung nichts zu tun haben wolle. –

     Sonst hat sich die Lage an den Fronten nicht verändert. In der Stadt Aachen wird nach wie vor gekämpft, wie auch in den Straßen von Belgrad. Nisch ist erobert u. in Athen ist die griech. Regierung eingetroffen.

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Hans Brass: TBHB 1944-10-16. , 1944, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-10-18_001.jpg&oldid=- (Version vom 26.6.2024)