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den Primizsegen erteilen.

     Es scheint, daß heute die lange angekündigten evakuierten Mütter mit Kindern angekommen sind. Im Nachbarhause Dohna ist jedenfalls erheblicher Kinderlärm u. ich sehe eine Dame dort hantieren. Frau Booth hat den Schlüssel von Monheims abgeholt, es sollen dort gleich vier Mütter mit Kindern einquartiert werden. Es ist zwar unverantwortlich, denn das Haus läßt sich ja nicht heizen; aber für Monheims empfinde ich eine leise Genugtuung. Sie haben sich wenig nett benommen.

Mittwoch, 11. Okt. 1944.     

     Die evakuierten Mütter sind also da. Aus Stralsund. Sie sind einfach in Häusern untergebracht, in denen es am Notwendigsten fehlt. Sie haben kein Brennmaterial, um sich Essen zu kochen, unser schwaches Stromnetz reicht schon für unseren Bedarf nicht aus, sodaß jeden Abend wenigstens einmal das Licht ausgeht. Nun kommt dies noch dazu. –

     Aachen ist nun völlig eingeschlossen. Die Amerikaner haben an den Kommandanten ein 24stündiges Ultimatum gestellt, die Stadt zu übergeben, andernfalls wird sie völlig zusammengeschossen werden. Das Ultimatum läuft heute Vormittag 1/2 11 Uhr ab. – Die Russen haben südlich Libau die Ostsee erreicht u. anscheinend auch südlich Memel das kurische Haff. Damit sind wieder einmal große Armeeteile abgeschnitten, die aus Riga kaum herauskommen werden, nachdem die Russen die vorgelagerten Inseln besetzt haben. In Ungarn sind sie weiter im Vormarsch u. mögen etwa 70 km. vor Budapest stehen.

     Die Engländer sind nun schon vor einer Woche in Südgriechenland gelandet, haben den ganzen Peloponnes besetzt u. Korinth erobert; aber von all dem weiß man in Deutschland kein Wort. –

     Der Telephonverkehr zwischen Deutschland u. Schweden ist immer noch unterbrochen, man kennt den Grund aber nicht.

     Heute das neue Bild untermalt, verspricht, sehr schön zu werden.

     Gestern Abend brachte Spangenberg einen Rucksack, den Fritz als Wehrmachtsgut an uns aufgegeben hat. Er enthielt für mich einen dunkelblauen Overall, den ich heute beim Malen an hatte. Er ist sehr schön warm, sodaß ich im Atelier nicht heizen brauchte, ferner noch eine Ueberzieh=Hose für die Gartenarbeit, ein grünes Hemd, viele Zigarren, die er nicht geraucht hat u. für Martha u. mich je ein Stück prachtvolle Palmoliveseife. Es ist rührend von dem Jungen. Auch eine Flasche Cognac war darin mit der Aufschrift: „Für meinen Vater“.

     Für Fritz kam heute das Postgeld zurück nach hier, welches er an sich selbst über Postscheck geschickt hatte. mit dem Vermerk: „Neue Anschrift abwarten.“ Gestempelt vom 9. 8. 44.

Donnerstag, 12. Okt. 1944.     

     Der Kommandant von Aachen hat Kapitulation abgelehnt, das Bombardement der Stadt hat seit gestern begonnen.

     Vor einigen Tagen starb ein General-Chef der Heeres-Personalabteilung, an den Folgen seiner Verwundungen, die er beim Attentat gegen den Führer erlitten hatte. Es wurde ein Staatsbegräbnis angeordnet, Beisetzung in Tannenberg, aber der Führer war nicht zugegen. Er ließ sich vertreten durch

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Hans Brass: TBHB 1944-10-10. , 1944, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-10-11_001.jpg&oldid=- (Version vom 26.6.2024)