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haben, aber noch nicht benützen können, weil die davor gelagerte Insel Walcheren noch in unserem Besitz ist. –

     Die Russen wollen anscheinend jetzt gegen Memel vorstoßen. Sie schneiden, wenn es glückt, wieder große Teile unserer dortigen Armeegruppe ab u. Riga fällt ihnen dann von selbst zu, zumal sie die großen Inseln vor dem Rigaer Busen in diesen Tagen erobert haben. Sie beherrschen damit den Seeweg nach Riga vollkommen. – Auch im Süden gegen Ungarn kommen sie voran. –

     Gestern Nachmittag waren die beiden Soldaten, die uns den Koks in den Keller schafften, zum Kaffee bei uns. Der ältere mit Namen Maass ist Studienrat an der holl. Grenze, der andere ist Textilkaufmann. Beide waren glücklich, ein paar Stunden in einem gemütlichen Hause sitzen u. frei sprechen zu können.

     Abends war wieder Agnes Borchers da. Sie zeigte verschiedene Briefe an Aerzte usw. durch die sie ihrem Manne zu helfen hofft. Wir gaben ihr Ratschläge, so gut wir konnten. Ich gab ihr einen Brief, den ich an ihren Mann am Nachmittag geschrieben hatte, worüber sie sehr glücklich war. Frau Beichler rief gestern Nachmittag an u. sagte, daß Gerda Knecht zum sechsten Male operiert wird u. daß es ziemlich hoffnungslos um sie steht. –

     Die noch vorhandenen Männer in Mecklenburg sind aufgerufen zum Schanzen in Schleswig-Holstein. Und das jetzt mitten in der Ernte! – Vor einigen Tagen bombardierten den Engländer unseren großen U=Boot=Stützpunkt Bergen in Südnorwegen. Dies in Verbindung mit der neuen Schipp=Aktion läßt darauf schließen, daß man doch noch eine neue Landung in der Deutschen Bucht erwartet, trotz der vorgeschrittenen Jahreszeit.

     Frau Dr. Kemper hat mit dem Pfarramt in Barth teleponiert. Der Pfarrer soll jetzt eine Dauervertretung bekommen haben, sodaß er ins Krankenhaus in Greifswald gehen konnte. Der Vertreter soll die Absicht haben, demnächst bei uns eine Messe zu lesen.

Dienstag, 10. Oktober 1944.     

     Schwere Kämpfe an allen Fronten. Die Russen machen Fortschritte auf Memel u. Libau, sowie in Südungarn. Auch in Italien scheint schwer gekämpft zu werden.

     Churchill ist mit Eden u. ziemlich großem Gefolge nach Moskau geflogen, nachdem er eben erst in Kanada war. Es ist erstaunlich, was dieser alte Mann leistet. –

     Gestern Abend wurde bekannt, daß die Telephon-Verbindung zwischen Berlin u. Schweden seit 36 Stunden eingestellt ist. Dasselbe war damals der Fall, als das Attentat auf den Führer stattfand, – u. zwar auffälligerweise 24 Stunden vor dem Attentat. –

     Von Otto Wendt Nachricht, daß es ihm leider unmöglich ist, von Günter Wagner Oelfarben zu beschaffen. Einige Pinsel schickte er mir vor einigen Tagen.

     Von Schw. Gertrud Nachricht, daß ihr Bruder nun im Krankenhs. in Greifswald, wo er bei den kathol. Schwestern liebevoll gepflegt wird. Es geht ihm aber sehr schlecht. In Barth ist eine Vertretung, ein Jesuitenpater Dr. Kurz aus Wien. Dieser will am kommenden Sonntag Nachmittags bei uns Gottesdienst halten, falls nicht wieder Fliegeralarm ist. Er kann dann das Enkelkind von Frau Krauss taufen. Da wir nun im Hause keinen Platz mehr haben, muß er bei Frau Longard übernachten u. er kann dann am Montag früh noch eine hl. Messe lesen. Dieser Pater ist Neupriester u. wird allen Anwesenden

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Hans Brass: TBHB 1944-10-09. , 1944, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-10-10_001.jpg&oldid=- (Version vom 26.6.2024)