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nichts, weil es zu diesig war. – In den letzten 24 Stunden sind nicht weniger als neun Städte angegriffen worden.

     Martha telefonierte heute mit Schüler in Ribnitz. Wir hofften unsere Pumpe heute zurück zu bekommen, doch stellte sich heraus, daß er die Pumpe bis jetzt überhaupt noch nicht abgeschickt hat.

Sonntag, 8. Oktober 1944.     

     Auch gestern wieder Fliegeralarm. Es sind jetzt täglich Angriffe über ganz Deutschland, schwerer als je. Vorgestern wurden neun Städte gleichzeitig bombardiert, es waren 5000 Flugzeuge einschl. Jäger über Deutschland.

     Gestern Abend Agnes Borchers. Ihr Mann ist in Untersuchungshaft in Hamburg. Man weiß nicht genau, was vorliegt. Der arme Kerl wird sich vermutlich Morphium verschafft haben. Er war schon vor dem Kriege schwer krank, ist überhaupt nur mit Mühe lebensfähig. Damals hat ihm der Arzt Pantopon gegeben u. er gewöhnte sich daran, wurde süchtig. Als er dann Soldat wurde, machten sie mit ihm eine Entziehungskur mit Insulin-Einspritzungen. Danach war es gut. Jetzt wurde er zum Munsterlager kommandiert, wo er als Ausbilder für die HJ. ausgebildet werden sollte. Der Dienst dort ist überaus schwer u. übersteigt die Kräfte dieses schwachen Menschen bei weitem. Wahrscheinlich ist er dadurch wieder zum Morphium gekommen, das er sich natürlich unrechtmäßig beschafft haben wird. Heute Morgen Agnes wieder bei uns. Sie hat einen kurzen Brief von ihm bekommen, in dem er um Verzeihung bittet. Sie ist schrecklich unglücklich, dabei selber krank. Hinzu kommt, daß ihre Eltern das alles nicht verstehen können, es geht nicht in ihren einfachen Verstand. Es ist sehr, sehr traurig. Borchers ist ein ausnehmend anständiger u. ehrenhafter Mensch, aber körperlich schwach u. durch u. durch krank. Es ist ein Verbrechen, diesen Menschen überhaupt zum Soldaten gemacht zu haben.

     In der Andacht war heute morgen Trude, die seit gestern bei ihren Eltern ist um sich Wintersachen zu holen. Sie erzählte mit Abscheu von dem Leben in Schneidemühl.

     Der Milchmann erzählt heute, daß er morgen eingezogen würde zum Schanzen in Holstein! – Man erwartet also doch von dort eine Invasion. – Wer uns nun die Milch bringen wird?

     Gestern Abend wurde uns ein Telegramm von Fritz durchgegeben. Er war drei Stunden im Reich, er ist gesund. –

Montag, 9. Oktober 1944.     

     Heute das neue Blumenbild in Rahmen gesetzt, es sieht recht gut aus wenngleich es auch sonst nichts Besonderes ist. Ich habe die Studie mit diesen selben Blumen in Verbindung mit der Madonnenfigur noch einmal neu gezeichnet. Ich glaube, daß es so etwas werden kann. –

     Die Luftoffensive der Anglo-Amerikaner nimmt immer stärkere Formen an. Vorgestern waren nicht weniger als 7000 Flugzeuge über Deutschland bei 9000 Einsätzen. Unsere Städte werden jetzt gleich in Serien von einem Dutzend u. darüber bombardiert. Auch die Kampfhandlungen an den Fronten nehmen zu, besonders in Holland u. bei Aachen. In Holland wollen sie um jeden Preis den Hafen von Antwerpen gewinnen, den sie zwar

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Hans Brass: TBHB 1944-10-07. , 1944, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-10-08_001.jpg&oldid=- (Version vom 26.6.2024)