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bis zur Schweiz, von dort durch die Alpen, Jugoslawien, Ungarn, Polen bis Riga eine einzige, ununterbrochene Linie bilden, – vorausgesetzt, daß bis dahin diese Linie überhaupt gehalten werden kann u. nicht vorher noch neue Einbrüche eintreten. Dies dürfte vielleicht in Ungarn u. der Slowakei zuerst der Fall sein. –

     Es ist Regenwetter geworden u. recht kühl.

Dienstag, den 26. Sept. 1944.     

     Gestern Nachmittag tauchte plötzlich Herr Lorenz auf mit einem schnittigen, tadellos gepflegtem Auto in SS=Generalsuniform. Ich sah ihn vom Fenster meines Schlafzimmers aus, er hielt vor der Bunten Stube. Ich hütete mich, rüber zu gehen. Martha erzählte später, er habe gewaltig angegeben. Er hat erzählt, daß er den Forstmeister Mueller in Born besucht habe, der krank gewesen sein soll. Ein Arzt aus Greifswald habe sich um ihn bemüht, er, Lorenz, habe aber dafür gesorgt, daß ein Professor aus Berlin im Flugzeug nach Born geschickt worden sei. – Hier auf dem Lande hat nicht einmal der Arzt mehr genug Benzin, um seine Krankenbesuche zu machen, aber wenn dieser Forstmeister krank ist, genügt nicht ein Arzt, sondern es müssen Professoren sein, die im Flugzeug rangeschafft werden, – u. Herr Lorenz fährt im Auto von Berlin nach Born, – bloß weil dabei ein Rehbock abfällt. Auf dem Rückwege werden natürlich noch die mecklenburgischen Güter abgeklappert, wo es noch überall gut zu essen u. zu trinken gibt. Herr Lorenz hat weiter erzählt, daß er in Berlin sehr angenehm lebe, seine Frau ist irgendwo in Süddeutschland gut untergebracht. Die ältere Tochter hat vor einigen Monaten einen mecklenburgischen Gutsbesitzer geheiratet. Irgendwer hat als Hochzeitsgeschenk einen kostbaren Schimmel geschenkt, der während des Hochzeitsfestes in den Festsaal geführt worden sei. Unser Fuhrmann Spangenberg konnte zur selben Zeit monatelang kein zweites Pferd kaufen, als ihm das eine Pferd im Sommer eingegangen war u. alle Fracht u. andere Fuhren konnten nicht gefahren werden, weil nirgends ein zweites Pferd aufzutreiben war. – Herr Lorenz erzählte weiter, daß er für sich persönlich zwei Burschen u. einen Koch zur Verfügung habe, – uns aber werden alle Hausgehilfinnen fortgenommen u. in die Rüstungsbetriebe gesteckt. Alle Männer sollen an die Front u. wer nicht Soldat sein kann, soll sonst für die Rüstung arbeiten, alle Behörden u. militärischen Schreibstuben werden ausgekämmt, um alle Kräfte für den Krieg frei zu bekommen, – aber dieser Kerl hat zwei Burschen u. einen Koch für sich persönlich, – seine Frau wird natürlich außerdem für sich die nötige Bedienung haben, das ist selbstverständlich. – Herr L. erklärte in der Bunten Stube, es sei ihm im ganzen Leben noch nie so gut gegangen wie eben jetzt! – So wird es wohl auch sein. Ihm u. all den anderen Bonzen ist es nie so gut gegangen wie jetzt, – obwohl sie schon vorher herrlich u. in Freuden lebten, u. deshalb geht der Krieg weiter. Mag auch ganz Deutschland in Schutt u. Asche sinken, – diesen Herren geht es ausgezeichnet!

     Fast bewunderungswürdig aber ist die Dummheit dieser Leute, die nicht sehen, daß das bittere Ende auch für sie

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Hans Brass: TBHB 1944-09-25. , 1944, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-09-26_001.jpg&oldid=- (Version vom 24.6.2024)