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Ergreifung nicht weniger als 1 Million Reichsmark ausgesetzt war, wurde vor einigen Wochen verhaftet. In der Berl. Illustr. Ztg. erschienen letzte Woche Bilder, die die Vorgänge der Verhaftung zeigten. Eine Nachrichtenhelferin hat sich dabei den Löwenanteil dieses Sündengeldes verdient, sie wird sich dessen kaum lange freuen.

     Churchill ist in Kanada. Auf den Kriegsschauplätzen keine wesentlichen Ereignisse.

Dienstag, 12. Sept. 44.     

     Nachts Fliegeralarm. Vormittags abermals.

     Die 1. amerikan. Armee hat die deutsche Grenze nördlich Trier überschritten u. ist 10 km. tief vorgedrungen. Dies ist also das erste Mal, daß deutsche Grenzen überschritten wurden. Der Krieg ist nun auf deutschem Boden. Der ganze Westwall von Trier bis Aachen liegt unter dem Alliierten Artilleriefeuer. –

     Gestern bekamen wir eine kurze Nachricht von Fritz, datiert vom 24. Aug. zu welcher Zeit er immer noch in der Gegend von Clermont-Ferrant war. Er schreibt von sehr schweren Kämpfen seiner Truppe, die auch verlustreich sind u. er wundert sich, daß sie keinen Ersatz bekommen. Daraus ist zu erkennen, daß die Soldaten keine Ahnung haben, wie es steht. Er hat große Anstrengungen zu ertragen, hat 36 Stunden am Steuer gesessen. Alles das ist sehr gut für ihn, wenn er nur heil durchkommt. –

     Gestern vollendete ich das Engelbild es ist das achte Bild dieses Jahres. Es ist sehr schön geworden, fast plakathaft in seiner geschlossenen Einfachheit.

     Heute im Garten gearbeitet, weil endlich mal wieder schönes Wetter ist. Es war in der letzten Woche überaus kalt, stürmisch u. regnerisch. Die Arbeit hat mich sehr angestrengt, ich kann körperlich nichts mehr leisten.

     Gretes Anwesenheit im Hause wirkt sich sehr gut aus. Sie macht den ganzen Haushalt, besonders das Kochen, u. hält Ordnung u. große Sauberkeit. Von Paul hat sie freilich schlechte Nachrichten, er leidet unter den Verhältnissen, hat keine saubere Wäsche usw. – Martha hat nun wieder Dienstags u. Freitags Nachmittags das Geschäft auf.

     Vom Arbeitsamt habe ich auf meine Weigerung, dorthin zur ärztl. Untersuchung zu kommen, bis jetzt nichts gehört.

     Soeben heult die Sirene, 1/2 6 Uhr, Fliegeralarm, der zweite dieses Tages. Das wird nun wohl am laufenden Bande so fortgehen. Wie gut haben wir's, daß wir nicht jedesmal in den Keller müssen.

     Daß Hitler selbst nicht mehr glaubt, daß er noch lange am Ruder sein wird, erkennt man daran, daß die Lebensmittel-Rationen immer noch nicht herabgesetzt worden sind, obgleich wir doch nun mit Ausnahme von Ungarn sämtliche Agrargebiete verloren haben u. außerdem auf unseren Rückzügen ungeheure Mengen von Vorräten in die Hand des Feindes gefallen sind. Die Ernte dieses Jahres ist eine normale Mittelernte, die keinesfalls ausreichen kann, das ganze Volk, die Soldaten u. die 10 Millionen Fremdarbeiter zu ernähren, ganz abgesehen davon, daß bei diesen ständigen Luftangriffen immer neue Vorräte umkommen. Wenn Hitler noch Hoffnung hätte, am Ruder zu bleiben, würde er bestimmt die Lebensmittel-Zuteilungen einschränken, so aber läßt

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Hans Brass: TBHB 1944-09-11. , 1944, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-09-12_001.jpg&oldid=- (Version vom 22.6.2024)