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Damit dürfte dann auch Ungarns Schicksal besiegelt zu sein. –

     Heute starker Sturm u. Regen, wie schon seit einigen Tagen. Kraftstrom war unterbrochen, konnten kein Mittagessen kochen. – Heute morgen Postschecks ausgeschrieben u. Punkte geklebt.

     Ich möchte noch einmal ein Engelbild malen, habe eine kleine Skizze gemacht.

Sonnabend, 2. Sept. 44.     

     Die Engelbild-Skizze in größerem Format nochmals durchgezeichnet. Sehr gut. Der Engel mit geneigtem Kopf als Andeutung der Unterordnung des eigenen Willens, hält einen Kreuzstab in der Linken, auf den er mit dem Finger der rechten Hand hinweist. Das Gewand denke ich mir tiefrot mit blauem Ueberwurf, die Flügel orange bis zinnoberrot wie Flammen.

     Im Westen geht es weiter. Der Rost. Anz. gibt heute zu, daß es dort eine Front überhaupt nicht mehr gibt. Alles ist im Fluß, d.h. in voller Flucht u. ein neuer Widerstand ist erst an der deutschen Grenze – oder erst am Rhein? – zu erwarten. Die Angloamerikaner stehen jetzt von südlich Nancy bis nach Amiens. Le Havre ist eingeschlossen.

     In Bulgarien ist die Regierung zurückgetreten u. neu gebildet worden, dadurch ist eine vorübergehende Verzögerung der Waffenstillstands-Verhandlungen, die seit einigen Tagen in Kairo stattfinden, eingetreten.

     Ueber die Slowakei u. die Vorgänge dort ist in unseren Zeitungen bisher nichts gesagt worden. Heute aber heißt es, daß Dr. Tiso eine Rundfunkansprache gehalten habe in der er davon spricht, daß Arbeiter, Bauern u. Geistliche ermordet u. ausgeplündert worden seien u. daß der Abschaum der Gesellschaft aufgeboten worden sei, um ein Chaos hervorzurufen. Das bedeutet doch also, daß der Bürgerkrieg in diesem Lande tobt. Er habe, sagt Dr. Tiso, Deutschland um Truppen zur Unterdrückung des Aufstandes gebeten, woraus doch wohl zu schließen ist, daß die eigene Armee sich auf Seiten der Aufständischen befindet. –

     Auch in Kroatien hat sich eine neue Regierung gebildet, es kriselt also überall. Heute ist auch der finnische Reichstag zu einer besonderen Sitzung einberufen worden, die ursprünglich erst am Dienstag stattfinden sollte. Man hat es also wohl eilig! Vielleicht wird dieses Land nun endlich den Weg zum Frieden finden, jedenfalls hat die finnische Regierung allen ihren Schiffen befohlen, sofort finnische oder schwedische Häfen anzulaufen. –

     Heute wieder Brief von Fritz, aber schon am 7. August geschrieben aus der Gegend von Clermont-Ferrant. Wo mag der Junge jetzt stecken? Gott möge ihn schützen.

     Vom Arbeitsamt Barth erhielt ich heute die Aufforderung, mich am 6. Sept. zwischen 8 u. 12 Uhr dort zur amtsärztl. Untersuchung einzufinden. Ich werde beantragen, daß Dr. Meyer mich untersucht, weil ich nicht nach Barth kommen kann. Vor einigen Tagen hatte ich das Formular zum verstärkten Kriegseinsatz ausgefüllt u. hingeschickt. Widerlich! –

     Es ist kalt und. regnerisch geworden, der Sturm ist vorüber. – Heute beginnt das 6. Kriegsjahr!

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Hans Brass: TBHB 1944-09-01. , 1944, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-09-02_001.jpg&oldid=- (Version vom 21.6.2024)