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Luftwaffe, letzterer für die Marine. Auffälligerweise hat niemand für das Heer gesprochen, obgleich doch Keitel der gegebene Mann dafür gewesen wäre. Er hat aber geschwiegen. Nach Allem scheint es sich doch nicht bloß um eine Klique von Offizieren zu handeln, – Oberst Graf Stauffenberg ist Generalstabsoffizier am Führerhauptquartier, – sondern um eine Verschwörung größeren Ausmaßes u. man wird nicht fehlgehen, wenn man weit höhere Offiziere dahinter vermutet, vor allem wohl die im Laufe der Zeit abgesetzten Heerführer u. hohen Kommandeure. – Herr Himmler wird da ein reiches Feld seiner Tätigkeit finden, gerüchtweise soll es bereits hier u. da zu Zusammenstößen gekommen sein zwischen Heer u. SS. – In der Luftwaffe soll eine besondere Luftflotte „Das Reich“ gebildet werden. –

     Frau Hoppe erzählte Martha, daß heute Vormittag Frau Siegert in den Laden gekommen sei u. mit der lauten Stimme, die diesem Weibe eigen ist, gesagt hat: Nun wisse man ja endlich, welche Leute es seien, die gegen den Führer arbeiten, u. man müsse sich schämen, daß ein Adeliger darunter sei. Von nun an würde sie jeden, der am Führer oder an der Führung Kritik übe, anzeigen, damit er an die Wand gestellt würde.

Sonnabend, 22. Juli 1944.     

     Es ist bis heute immer noch nichts Näheres bekannt geworden über die Revolte. Als einziger Name ist bisher der des Attentäters, des Obersten Grafen v. Stauffenberg, genannt worden. Der frühere – bis 1938 – Generalstabschef des Heeres, Generaloberst Beck, soll hingerichtet sein, doch habe ich darüber eine autentische Nachricht nicht gelesen oder gehört. Sonst aber ist bisher kein einziger Name genannt worden, auch hat man nicht gehört, daß Verhaftungen vorgenommen worden sind. Offiziell wird behauptet, daß die Revolte in sechs Stunden niedergeschlagen worden sei. Wo aber sind denn nun die eigentlichen Akteure? Es wird doch immerzu von einer „Generalsklique“ gesprochen, – wo u. wer sind denn diese Generale?

     Heute Morgen kurz nach 9 Uhr hat der Reichsorganisationsleiter Dr. Ley eine Ansprache in einem Rüstungsbetrieb gehalten, die der Gipfel an Plattheit u. Demagogie war. Er nannte den Grafen Stauffenberg einen blaublütigen Verbrecher, Schuft, Lump, Verräter u. was weiß ich noch. Die Rede war eine Aufhetzung der Arbeiter gegen den Adel, diese Nichtstuer usw. u. eine plumpe Verherrlichung des schlichten, fleißigen, treuen Arbeiters. Alle Klassenhaß-Instinkte wurden wachgerufen. Das ist der Dank für die ungeheuren Blutopfer, die der deutsche Adel in diesem Kriege bisher gebracht hat. Die Rede klang aus in ein plumpes, blasphemisches Gebet, Gott möge uns alle Schicksalsschläge senden, die denkbar sind, – nur unseren Führer möge er erhalten.

Sonntag, 23. Juli 1944.     

     Gestern Nachmittag habe ich ein kleines Bild untermalt, frühe Astern aus dem Garten. Ich beginne, oder versuche damit etwas Neues, nämlich nicht von einem inneren Gesicht auszugehen, sondern von der Natur, diese dann aber fortzuführen bis zur völligen Abstraktion. Es ist unmöglich, solche Bilder wie den betenden Engel u. den Melchisedech am laufenden Bande zu malen, die Anspannung ist zu groß. Es wäre aber schade, in der Zwischenzeit, bis ein neues Bild in mir entsteht, überhaupt nicht zu

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Hans Brass: TBHB 1944-07-21. , 1944, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-07-22_001.jpg&oldid=- (Version vom 15.6.2024)