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hielt eine scherzhafte Festrede. Gretl Neumann, bzw. ihre Mutter, hatte den Festkuchen gebacken, Streußelkuchen u. drei Obsttorten, ganz hervorragend. Morgens früh war Trude mit Flieder gekommen u. mit einer Obsttorte, die die Mutter gemacht hatte. Wir frühstückten wie am Sonntag mit Bohnenkaffee, Eiern u. Cigarre.

     Abends mit Irmingard Flasche Rotwein. Sehr müde, bald Schluß. –

     Die Invasion befindet sich noch in der Krisis doch haben die Gegner offensichtlich langsam weiter Boden gewonnen u. fortdauernd weiteren Nachschub gelandet bei Caen. Andererseits haben auch wir weitere Verstärkungen herangezogen u. die Kämpfe sind sehr schwer. Es kommt alles darauf an, daß die Angloamerikaner die ganze, vorspringende Halbinsel in Besitz bekommen, deren Hafen Cherbourg ist, damit sie ein kleines Aufmarschgelände haben. Da sie anscheinend dauernd Truppen landen, ist anzunehmen, daß ihnen dies glücken wird. – In Italien sind sie ebenfalls weiter vorgedrungen u haben Civitavecchia besetzt. Ich bin gespannt, ob sie irgendwo eine neue Landung vornehmen werden. Bei der ungeheuren Materialanhäufung, die sie bei ihrer Landung in der Normandie aufgewendet haben, ist nicht anzunehmen, daß sie eine gleiche Leistung unmittelbar hinterher vollbringen können, es wird wohl eine Zeit darüber hingehen. Wenn die Besetzung der Halbinsel von Cherbourg durchgeführt sein wird, wäre eine neue Landung bei. Dieppe vielleicht zu erwarten, um die Küste zwischen Seine u. Somme zu besetzen mit den Städten Rouan u. Amiens. Dann wäre Paris sehr bedroht. Vielleicht werden sie aber auch in Norditalien oder Südfrankreich zu landen versuchen.

     Die engl. Schlachtschiffe, welche die Invasion unterstützen, sind mit neuen Raketengeschützen ausgestattet, mit einer ganz neuen Waffe, während von unserer sog. geheimen Vergeltungswaffe nichts zu sehen ist.

Sonnabend, 10. Juni 1944     

     Irmingard gestern vormittag wieder nach Bln. zurück. Die beiden Jungens haben davon nicht viel Notiz genommen. Heute Hochzeit M. v. Paepke u. Herr v. Viereck. Wir schickten eine Vase mit Rotdorn u. Flieder. Die Trauung war in der Kirche in Wustrow, wohin die Gäste mit offenen Pferdewagen befördert werden mußten u. zurück. Da es nur mit geringen Unterbrechungen regnet, muß das ein zweifelhaftes Vergnügen gewesen sein.

     Die Invasion scheint langsam Fortschritte zu machen. Wir berichten von den ungeheuren Verlusten, die unsere Gegner haben sollen, was wohl auch anzunehmen ist, die Andern aber berichten von langsamen Fortschritten u. nennen Namen von eroberten Ortschaften u. Städten. Sie sagen daß sie nun die ganze Küste von östlich Caen an bis Isigny fest in der Hand hätten u. dauernd weitere Verstärkungen landen. Es ist erst der vierte Tag ihrer Landung u. sie haben in dieser Zeit schon ein weit größeres Stück besetzt, wie s. Zt. bei Nettuno. Die Cherbourg-Halbinsel haben sie zwar noch nicht, aber es ist kaum zu bezweifeln, daß sie sie bald haben werden. In Italien geht der Vormarsch ebenfalls weiter, sie haben Viterbo eingenommen, 70 km. nördl. Rom. Die Russen rühren sich noch nicht.

     Für unsere Berichterstattung über die Invasion ist typisch, daß wir sagen: „Die Verluste der Angreifer sind

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Hans Brass: TBHB 1944-06-08. , 1944, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-06-10_001.jpg&oldid=- (Version vom 9.6.2024)