Seite:HansBrassTagebuch 1944-06-02 002.jpg

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.

in der Gegend von Florenz, nochmals eine Verteidigung aufzurichten, doch ist mit einem Gelingen kaum zu rechnen. Der Rückzug dorthin wird überaus verlustreich sein, da alle Straßen unter dem Angriff der alliierten Bomber offen liegen u. die schweren Waffen kaum zurückgeschafft werden können. Aber auch an der Jugoslawischen Grenze, wie auch an der französischen Grenze scheinen starke Partisanenbewegungen in Gang gekommen zu sein, die sich einerseits mit den Truppen des Marschall's Tito, andererseits mit der franz. Maquisbewegung verbinden, sodaß die ganze Verbindung nach Deutschland schwer gefährdet ist. Ueberdies werden die Alliierten dort Fallschirmtruppen landen u. wahrscheinlich auch vom Meere her neue Landungen unternehmen, sodaß der Zusammenbruch bis zu den Alpen hin unvermeidlich sein wird. Wir werden dabei sicher 20 Divisionen u. das ganze Kriegsmaterial verlieren. Man kann gespannt sein, wie Herr Goebbels diese Katastrophe als Vorteil für uns auslegen wird. –

     Dazu kommt, daß die Amerikaner jetzt neuerdings Stützpunkte für ihre schweren Bomber in Rußland eingerichtet haben, sodaß nun auch der ganze Osten unter deren Wirkungsbereich liegen wird, nicht nur Königsberg, Danzig, Gdingen, das Oberschlesische Industrierevier usw, sondern vor allem die Eisenbahnverbindungen durch Polen u. die Oelquellen von Ploesti, die zwar auch schon bisher angegriffen worden sind, die aber nun mit ungleich stärkeren Bomben angegriffen werden können. Da in den letzten Wochen schon unsere Industrie für synthetischen Treibstoff schwer mitgenommen worden sind durch amerikan. Bomber, so würde der Ausfall von Ploesti eine neue Katastrophe bedeuten. Damit rückt nun der Augenblick näher, wo der gesamte Zusammenbruch erfolgen muß, der dann genau so rasch kommen wird wie jetzt in Italien. –

     Von Fritz heute zwei Briefe vom Pfingstsonntag u. Montag. Er hat sich nun durchgebissen u. macht tapfer mit, was getan werden muß. Ich habe ihm gleich ausführlich geantwortet.

     Zur Andacht heute am Dreifaltigkeits-Sonntag nur Grete u. Frau Smith. Diese kam am Nachmittag mit ihrer Freundin zum Kaffee zu uns. Die Freundin ist nicht sehr sympatisch. Beide berichteten über Frau Krappmann, die sich wirklich sehr schlecht zu benehmen scheint. Schade.

     Abends mit Martha Ina Seidl: Brömseshof, gelesen. Meisterhaftes Buch

     Mittags im Kurhaus, trafen Herrn + Frau Söhlke. Herr S. erzählte mir, wie er kürzlich im Zuge einen Fliegerangriff mitmachen mußte. Er hat unter dem Zuge gelegen u. sich gerettet, aber neben ihm wurde ein Kind durch Kopfschuß getötet, eine Frau erhielt einen Bauchschuß. Andere Leute wollten sich retten, indem sie davonliefen, doch flogen die Amerikaner hinterher u. schossen die Leute ab wie Hasen. Dergleichen ist wirklich empörend.

     Der hl. Vater hat eine Rede im Kardinalskollegium gehalten. Er geißelte diejenigen, welche den Krieg dadurch künstlich verlängern, daß sie drohen, im Falle ihres Sieges ihren Gegner völlig zu vernichten, sodaß diese in ihrer Verzweiflung weiter kämpfen. Es ist nicht klar, wen er damit meint. Es gibt unter unseren Gegnern viele, die gern von unserer völligen Vernichtung sprechen u. schreiben, doch sind das immer nur Journalisten oder Privatleute, offizielle Regierungsleute haben dergleichen m. W noch nie gesagt, wenngleich unsere Propaganda auch nicht müde wird, dergleichen zu behaupten. Aber eben diese Propaganda behauptet es u. erfüllt damit das Volk mit

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1944-06-04. , 1944, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-06-02_002.jpg&oldid=- (Version vom 9.6.2024)