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Abends im Seezimmer „Tsushima“ vorgelesen, dann Rosenkranz. – Mit den neuen Zähnen ist es eine große Plage immerhin bin ich so weit, daß sie mir beim Sprechen nicht aus dem Munde fallen, aber das Essen geht noch garnicht.

Donnerstag, 4. Mai 1944     

     Seit gestern Mittag starker Sturm, zum Glück mit viel Regen, sonst wäre die Saat von den Feldern geweht worden. Es ist dabei recht kalt, ich muß immer noch täglich heizen.

     Am Dienstag fand ein Luftüberfall auf Pütnitz statt. Ein engl. Flugzeug flog gegen 1/2 5 Uhr vom Meer her bei Neuhaus im Tiefflug ein u. schoß mit Bordwaffen in Pütnitz zwei Flugmaschinen kaputt. Ehe man begriffen hatte, was geschehen war, war der Engländer schon wieder fort in Richtung Barth, wo ihm fünf Maschinen zum Opfer gefallen sind. Es sollte mich nicht wundern, wenn nun auf Ribnitz, Pütnitz u. Barth bald größere Angriffe erfolgen würden.

     Gestern Nachmittag Frau Prof. Heydenreich, die aus Passau hierher zurückgekehrt ist. Sie ist in Passau, wo sie mehrere Monate war u. auch das Osterfest verlebt hat, sehr stark vom Katholizismus beeindruckt worden, denn sie war schon früher dafür sehr empfänglich. Besonders ihr kleiner Sohn Titus scheint sehr vom kathol. Geist gefangen zu sein. Sie möchte gern, daß ich Titus unterrichte. Als sie fortging, sandte Frau Korsch einen Brief, daß sie zum Abend nicht kommen könne, weil ihre Eltern für zwei Tage zu Besuch gekommen seien. So kam die Rede auf meine Mittwoch-Vorträge, wofür Frau H. sich lebhaft interessierte. Da auch Frau Marianne Clemens abwesend ist, – sie ist in Hamburg bei ihrem Mann, – beschloß ich, den Vortrag ausfallen zu lassen u. am kommenden Mittwoch erst wieder zu beginnen, denn ich habe gerade die Lehre von der Kirche zuende gebracht u. will nun mit den Sakramenten neu beginnen. Frau H. möchte dann daran teilnehmen.

Sonntag, 7. Mai 1944.     

     Es ist immer noch sehr kalt, viel Regen, wir heizen täglich. Trotz des milden Winters haben wir in diesem Jahre mehr Kohlen verbraucht, als in strengen Wintern.

     Vorgestern u. gestern die Bu. Stu. dekoriert. Das von Paul eingerichtete Warenlager macht sich angenehm bemerkbar. Er gibt die Ware heraus nach der Uebersicht, die er hat u. ich richte mich beim Dekorieren danach. Das Verfahren ist so sehr vereinfacht.

     Während unserer heutigen Andacht flog ein Flugzeug über uns weg u. unsere lächerliche Sirene ertönte; aber es war bezeichnend, daß niemand die Sirene hörte, außer mir selbst. –

     Sonst sind wir in dieser Woche in Deutschland von Fliegern ziemlich unbehelligt geblieben, dafür waren sie um so stärker über Frankreich u. Belgien, auch in Rumänien. Die Spannung wegen der Invasion hält unvermindert an u. ist nur schwer zu ertragen. Herr Goebbels schreibt frohlockende Artikel im Reich, in denen er die Niederlage der Invasoren als absolut sicher hinstellt u. damit den Zusammenbruch der Entente kommen sieht. – Wir werden sehen! – Im Westen ist nun Urlaubssperre, womit die Hoffnungen von Fritz, zu Pfingsten bei uns sein zu können, vernichtet sind.

     Nachmittags waren Küntzels bei uns, weil es in ihrem Hause bei dem eisigen Nordwind nicht auszuhalten war.

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Hans Brass: TBHB 1944-05-04. , 1944, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-05-04_001.jpg&oldid=- (Version vom 8.6.2024)