Seite:HansBrassTagebuch 1944-04-16 001.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

bei dem schweren Angriff am Osterdienstag auf Rostock, von dem wir hier merkwürdigerweise garnichts bemerkt haben, auch unsere Kirche in Rostock mitsamt dem Pfarrhause zerstört worden zu sein. – Furchtbares Geschehen! –

     Auch einen Brief von Fritz erhielten wir, in dem er uns mitteilte, daß sein Kommando zum Stabe wieder aufgehoben u. er zur Kompanie zurückversetzt worden sei. Er war zum Stabe versetzt worden, um Karten zu zeichnen, jedoch ist er völlig unbegabt zum Zeichnen. Ich habe mir bald gedacht, daß daraus nichts werden könnte. Er hatte sich, wie er schrieb, dort beim Stabe schon so bequem eingerichtet u. ich ärgerte mich in gewisser Weise darüber. So sehr ich ihm Gutes gönne, hielt ich es doch für an der Zeit, daß er endlich einmal aus seinem bequemen Privatleben rausgeworfen würde. –

Sonntag, 16. April 1944.     

     Andacht mit Martha u. Grete, welche ganz überraschend kam, nachdem sie in letzter Zeit stets gefehlt hatte. –

     Es beginnt nun die Woche, von der ich entscheidende Ereignisse erwarte. Uebermorgen ist die Unterhaussitzung in London angesagt, am 20. Apr. hat Hitler Geburtstag, der kommende Sonntag ist in England ein besonderer, allgemeiner Gebetstag der anglikan. Kirche, wie es heißt: in Anbetracht der schweren Ereignisse. Man würde einen solchen Gebetstag nicht ansetzen, wenn nicht ganz besondere Ereignisse erwartet würden. – Viele Leute, auch Paul, sind der Meinung, daß das alles nur Bluff sei um uns zu veranlassen, unsere Divisionen nicht vom Westwall zurück zu ziehen nach dem Osten, wo sie so dringend gebraucht werden. Der Gedanke hat natürlich viel für sich, aber ich glaube nicht daran. Vielleicht werden die Ereignisse dieser Woche meine sehr lästige Reise nach Stralsund am 25 Apr. überflüssig machen.

     Am Südteil der Ostfront ist der russ. Angriff zunächst zum Stehen gekommen, wie zu erwarten war, doch wird das kaum von Dauer sein. Inzwischen haben die Russen ihren Angriff auf die Krim begonnen u. haben sehr rasche Fortschritte gemacht, sodaß man den Eindruck hat, daß die 7 rumänischen u. 4 deutschen Divisionen, die dort stehen sollen ihre Stellungen nahezu kampflos geräumt haben. Diese Divisionen wissen ja, daß sie auf verlorenem Posten stehen, besonders seitdem wir Odessa verloren haben u. sie werden sich nicht sinnlos opfern. Es ist einfach empörend, daß man diese Divisionen nicht längst zurückgeholt hat. Man hat sie ganz sinnlos dort belassen, offenbar aus Prestigegründen u. es ist kein Wunder, wenn sie sich nun kampflos ergeben.

     Nachmittags bei Küntzels zum Kaffee. Sie waren sehr stolz, uns bei sich zu haben, es war heute sehr warm, sodaß wir draußen sitzen konnten. Paul ist immer noch glücklich, daß er hier sein darf.

     Abends las ich mit Martha das Buch von Ehm Welk: Der hohe Befehl, zu Ende, wirklich ein sehr schönes Buch, ich las es schon zum zweiten Male u. kam erst jetzt zum vollen Genuß. Es gibt viele Stellen darin, die man sich herausschreiben sollte.

     Heute am ganzen Tage keine feindlichen Einflüge. Ruhe vor dem Sturm. Wahrscheinlich werden sie Frankreich, Belgien u. Holland heute besucht haben.

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1944-04-15. , 1944, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1944-04-16_001.jpg&oldid=- (Version vom 17.7.2024)