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so blind sind, ihn für einen großen Feldherrn zu halten, das begreife ich nicht. Immer klarer wird erkennbar, daß dieser Mann bei Dünkirchen den Krieg genau so verloren hat, wie Moltke 1914 an der Marne. Hätte er einen starken rechten Flügel gehabt, dann wären ihm die Engländer bei Dünkirchen nicht entkommen, – er hätte nachstoßen können, selbst wenn ihm die Russen in den Rücken gekommen wären, – was keineswegs wahrscheinlich war. So mußte er die Engländer abziehen lassen u. gab ihnen Zeit, die Materialverluste zu ersetzen u. Amerika heranzuziehen. Die Engländer bezeichnen Dünkirchen nicht umsonst als großen Erfolg, – er war kriegsentscheidend! –

     Generalfeldmarschall Rommel in Afrika u. Generaloberst Paulus, Kommandeur der bei Stalingrad eingeschlossenen 6. Armee sind die beiden Offiziere, auf deren Schultern heute die Ehre der ganzen Deutschen Wehrmacht liegt. Man hat dem amerikanischen General Mc. Artur in gemeinster Weise die Ehre abgesprochen, weil er s. Zt. im Flugzeug die Inselfestung Corregidor verließ, um in Australien den Befehl zu übernehmen, nachdem die Uebergabe dieser Festung nicht mehr zu vermeiden war. Jetzt wird sich bald zeigen, was Rommel u. Paulus tun werden! Es wäre freilich undenkbar, daß deutsche Generale nicht die Konseguenzen ziehen würden, besonders nachdem die Russen der 6. Armee zur Vermeidung von weiterem Blutvergießen eine ehrenhafte Kapitulation angeboten hatten, die aber vom Generaloberst Paulus abgehnt worden ist. Diese Ablehnung ist zwar sinnlos, aber von einem überspannten Ehrbegriff aus doch zu verstehen. Es wird sich bald zeigen, ob der Armeeführer diesen selben Ehrbegriff anwenden wird, wenn es sich um die Rettung seiner eigenen Person handelt. Tut er das nicht, dann versinkt freilich das ganze deutsche Offizierkorps in einen Abgrund von Ehrlosigkeit. Das aber kann ich mir nicht denken.

     Im Reich hat Dr. Goebbels wieder seinen Leitartikel demselben Thema gewidmet, wie in der vorigen Woche, nur daß er sich diesmal nicht gegen die sogenannten Nichtstuer wendet, sondern gegen die Lokale, in denen diese Leute gern zu sitzen – oder ihre Einkäufe zu machen pflegen. Er hat wieder wie im vorigen Artikel erklärt, daß man für solche Dinge keine Gesetze u. Verfügungen erlassen könne. Ich frage mich vergeblich, warum nicht? Es werden ja sonst so viele Gesetze erlassen, warum nicht hier, wo es doch so einfach wäre. Man brauchte z.B. bei Geschäften doch nur die Umsätze festzustellen u. danach ihnen die Anzahl der Angestellten zuzubilligen, bzw. sie ganz zu schließen, – u. wenn heute Luxusbars unerwünscht sind, dann bedarf es nur einer Polizeiverordnung, um solche Lokale einfach zu schließen. Warum tut man das nicht? – Und in den Winterkurorten, über deren Publikum sich Herr Goebbels scheinbar so aufregt, braucht man nur eine Streife mit der Gestapo zu machen um alle diejenigen festzustellen, die ohne zwingenden Grund dort sind.

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Hans Brass: TBHB 1943-01-24. , 1943, Seite 003. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1943-01-20_003.jpg&oldid=- (Version vom 1.5.2024)