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Ich sprach gestern mit Rektor Dütemeier in Müritz darüber u. er riet mir, den Antrag zu stellen, daß mir die missio auch ohne Prüfung erteilt werden solle.

     Auf die Erteilung der missio lege ich großen Wert. Wir haben hier seit Jahren eine Schneiderin, die für uns in dem Schneider-Atelier arbeitet, das zum Geschäft gehört. Dieses Mädchen ist eine fromme Christin, was hierzulande eine Seltenheit ist. Nun hat sie sich verlobt mit einem Maurer, der irgend wann einmal hier hängen geblieben ist u. der aus Breslau stammt. Es hat sich herausgestellt, daß er Katholik ist u. katholisch getraut werden will. Ich habe mich des Mädchens angenommen u. ihr gut zugeredet, sodaß sie selbst jetzt dazu bereit ist. Nur ihre Familie ist dagegen. Ich hoffe, daß trotzdem alles gut gehen wird, denn die Leute hier sind nicht religiös u. sie werden nicht hartnäckig sein. Aber damit ist die Sache nicht getan, es muß unbedingt erreicht werden, daß das Mädchen, wenn sie verheiratet ist, Unterricht erhält u. katholisch wird. Das Mädchen u. ihr Verlobter wohnen nicht in Ahrenshoop, sondern in Wustrow, d.h. also in Mecklenburg in der Diözese Osnabrück, während Ahrenshoop in Preußen liegt u. zu Berlin gehört. Unser Pfarramt liegt in Barth 40 km. entfernt, jenseits des Darss u. des Bodden, man kommt nicht dorthin. Das Pfarramt für Wustrow liegt in Marlow, ebenfalls sehr weit, aber immerhin gibt es dort eine Chaussee. Für einen Religionsunterricht komme nur ich in Frage.

     Auch gibt es in einem Kinderheim im benachbarten Dorf Althagen einen Jungen, der katholisch ist. Die Eltern sind geschieden. Der Vater ist der Maler Röhricht, der eine andere Frau geheiratet hat, die Mutter hat ihren Jungen in jenes Kinderheim gegeben, um die Last los zu sein, sie ist auf Reisen. Sie selbst ist protestantisch. Der Junge wächst ohne Unterweisung auf, hat aber Sinn u. Interesse für Religion. Wir hatten ihn einigemale mitgenommen nach Müritz, so auch gestern wieder, u. Rektor Dütemeier sagte mir, daß ich ihn doch unterrichten solle. – Das wäre also ein Anfang. Der Rektor meinte, ich könne den Unterricht ruhig geben, auch wenn ich nicht offiziell die missio besäße, aber es ist besser, wenn ich sie habe. –

     Das alles wird sich in der nächsten Zeit entscheiden. Jetzt bin ich erst noch mit der Einrichtung meines Zimmers beschäftigt, was ich endgültig erst tun kann, wenn ich meine Sachen aus Berlin hier habe. Die Abschließung des Geschäftes erfordert ebenfalls noch tägliche Arbeit, besonders muß noch Inventur gemacht werden. Es ist vorläufig noch nicht an eine Konzentration zu denken.

     Der Sommer mit seinen vielen Menschen hat von dieser Seite her nicht viel gebracht. Diese Menschen sind entsetzlich sittenlos u. oberflächlich. Als bemerkenswertes Ereignis steht mir ein häßliches Flugzeugunglück vor meiner Erinnerung. Der Fliegerhorst Pütnitz hatte sich unseren Küstenstrich dazu ausersehen, Schießübungen zu veranstalten u. täglich donnerten die Flugzeuge über unseren Ort, oft so niedrig, daß man Angst bekam. Eines Abends stürzte eine dreimotorige Maschine im Darss ab, von den 10 Insassen waren 8 Mann tot u. total verbrannt.

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Hans Brass: TBHB 1937-09-13. , 1937, Seite 003. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1937-09-13_003.jpg&oldid=- (Version vom 5.4.2024)