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der Johannesbund war. Ich dachte, daß dieser Brief wohl sicher irgendetwas Unangenehmes enthalten müsse, – denn was konnte P. Petrus mir sonst wohl schriftlich mitteilen wollen!? – Ich öffnete den Brief neugierig, auf Schlimmes gefaßt. Er enthielt die Mitteilung, daß vom 18. bis 25. Januar eine Oktav der Wiedervereinigung in der ganzen Kirche gehalten würde u. daß P. Petrus in dieser Zeit allabendlich einen Vortrag mit anschließender Andacht um die Wiedervereinigung veranstalten will. Vorträge u. Andachten sollen von Laien gehalten werden u. zwar im Piussaal, nicht in der Kapelle. Er bittet mich, am Donnerstag den 21. Januar den Vortrag u. die Andacht zu halten über das Thema: „Die Sühne im Dienste der Wiedervereinigung“. –

     Also enthielt der Brief nichts Böses oder Schlimmes, aber auch nichts Angenehmes. Es ist zwar sehr ehrenvoll für mich, daß P. Petrus diese Bitte an mich richtet; aber ich weiß kaum, was ich damit machen soll. Ich bin durch meine jahrelange Zurückgezogenheit so sehr von jedem öffentlichen Auftreten u. Reden entwöhnt, dazu noch mein mangelhafter Gesundheitszustand, sodaß ich vor dieser Sache Angst habe. Ablehnen kann u. darf ich die Sache aber keinesfalls. Ich hoffe, daß der l. Gott mir hilft u. mich mit dem Hl. Geist erleuchtet.

Mittwoch, den 13. Januar 1937.     

     Es erhält sich hartnäckig das Gerücht, daß Hitler sein Amt als Reichskanzler auf Herm. Göring übertragen wolle. Man muß abwarten, was daran Wahres ist. – Wenn schon derartiges geplant ist, dann mag Göring immer noch der Geeignetste sein, da er wenigstens irgendwie noch an einer christlichen Gesinnung festzuhalten scheint, mindestens nach außen. Er hat sich ja kirchlich trauen lassen. Schlimmer ist es mit dem sog. Stellvertreter des Führers (Es handelt sich nicht um den Stellvertreter d. Führers Rud. Hess, sondern um den Stabschef der SA Lutze), dem Reichsminister Rudolf Hess, der in Dahlem wohnt u. katholisch ist. Als er einen Sohn bekam, schrieb der Pfarrer von Dahlem an ihn u. mahnte ihn, das Kind taufen zu lassen. Darauf bekam der Pfarrer einen Brief auf amtlichem Papier, der von Beleidigungen des kathol. Priestertums strotzte. Es war ein Brief, wie ihn sonst nur Proleten schreiben können. Die Sache ist peinlich bekannt geworden dadurch, daß plötzlich eine holländische Zeitung diesen ganzen Briefwechsel veröffentlichte. Darauf erschien die Kriminalpolizei beim Pfarrer, um eine Haussuchung vorzunehmen. Der Pfarrer konnte beweisen, daß von seiner Seite aus nichts geschehen war, um diese Veröffentlichung zu veranlassen. Es bleibt kaum etwas anderes übrig, als anzunehmen, daß diese Veröffentlichung durch jemanden aus der nächsten Nähe des Reichsministers selbst erfolgt ist. Das wirft ein grelles Licht! –

     Am Montag war P. Petrus bei mir um zu fragen, ob ich die Andacht am Donnerstag d. 21. Jan., wie er mir vorgeschlagen, übernehmen wolle. Ich hatte ihm bisher nicht geantwortet, da ich eine Hemmung habe, zu ihm

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Hans Brass: TBHB 1937-01-13. , 1937, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1937-01-13_001.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2024)