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Ich bin gezwungen, meine Stellung diesem religiösen Kitsch gegenüber einmal genau abzugrenzen u. meine eigene Stellung zu verteidigen. Das dient zur Klarheit. Dieses Bild von Fügel u. all die andern, ähnlichen Bilder sind Produkte unserer, von Langbehn geahnten Zeit. Es ist darin der Stil Wilhelms II, hohler Pomp u. leere Pracht, gedankenarm u. ohne Empfindung für Würde. Dieser Stil treibt heute wieder Blüten im Luftfahrt=Ministerium u. anderen Erzeugnissen. Vor einem Jahre erzählte mir ein Kaufmann, daß seine Firma Bleischnüre zur Beschwerung von Fahnen für eine nationalsozialistische Veranstaltung zu liefern hätte, u. zwar 30 Kilometer! – In diesem Jahre war derselbe Auftrag wiederum fällig, aber diesmal 60 Kilometer.

     Am Sonnabend Nachmittag traf ich mich mit Maria, um mit ihr gemeinsam zu P. Albertus beichten zu gehen. Sie hat immer noch ihre schwere Not damit, aber P. Albertus hat ihr liebevoll u. verständnisvoll geholfen, u. so kam sie ganz selig aus dem Beichtstuhl wieder heraus.

     Sonntag waren wir zusammen im Hochamt bei P. Albertus, der wieder wundervoll predigte. Ein herrlicher Mann u. Priester. Maria hatte dann Besuch von ihrer Kusine Martha Bahnson aus Hamburg, die abends wieder zurück fuhr. Diese hat durch ihre Schwester eine lose Verbindung zur sog. Christlichen Wissenschaft. Ich habe mir davon erzählen lassen.

     Sie ist die Tochter eines pensionierten evangelischen Pastors aus Hamburg, der, wie mir scheint, selbst ganz glaubenslos ist, – so sagt sie wenigstens. Diese Christl. Wissenschaft hat immerhin das Gute, daß sie solche Menschen, die zunächst nicht den Weg zur kathol. Kirche finden können, wenigstens bei einer Art von Religion festhält. Nach dem, was ich gestern hörte, scheint es mir, als ob in diesem Sinne das Gute das Schlechte überwiegt; aber Martha B. sagte doch, daß sie die Lehren u. Anschauungen dieser Gesellschaft nicht kritiklos hinnehmen könne. Und das ist eben richtig. Zwar lehren die Leute im großen Ganzen nicht viel anderes (so weit ich gehört habe) als wie katholisches Glaubensgut; aber es ist eben eine rein menschliche Gesellschaft, die ihre Lehre als materielle Wissenschaft vorträgt. Es fehlt da eben jede Autorität, es ist menschliche Wissenschaft, die man annehmen oder ablehnen kann. Angenommen wird sie restlos natürlich nur von unselbständigen u. kritiklosen Menschen. –

Mittwoch, den 5. Februar 1936.     

     Ich erhielt die Nachricht, daß jener Lehrgang zur Erlangung der missio canonica am gestrigen Tage abends 8 Uhr im Frauenbundhause in Charlottenburg beginnen werde mit einer Besprechung u. ersten Einführung. Ich war wie stets Dienstags bei Maria, die körperlich durchaus nicht in gutem Zustande ist. Sie hat es schwer in diesem Winter u. sie muß sich recht anstrengen bei der ziemlich weiten Entfernung zur Vinzenz-Kapelle in der Kruppstraße, die besonders im Vergleich mit Salvator recht dunkel u. zuweilen bedrückend ist. Wenn dort nicht der liebe

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Hans Brass: TBHB 1936-02-03. , 1936, Seite 0010. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1936-02-05_001.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2024)