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Mittwoch, den 13. März 1935.     

     Nun wird es Zeit, daß die Kälte aufhört. Gestern Abend machte sich im Atelier ein unangenehmer Schwefelgeruch bemerkbar. In der Nacht erwachte ich davon, daß der ganze Raum mit Ofengasen gefüllt war. Ich machte rasch das Fenster auf, das eigentlich nur eine Art größerer Dachluke direkt über dem Kopfende meines Bettes ist. So hatte ich wenigsten Luft u. entging einer sicheren Gasvergiftung. Ich muß nun wieder den Kachelofen mit Preßkohlen heizen. Wodran es liegt, daß der Anthrazit-Ofen plötzlich so viel Gas ausströmt, konnte ich nicht herausbekommen, – er hat es schon oft getan, aber nicht so viel. –

     Heute früh besuchte mich nach längerer Zeit wieder einmal Herr Ballin. Er ist ein anhänglicher u. gutmütiger Mensch. Er erzählte mir eifrig von seinem apostolischen Wirken in der Gemeinde Steglitz, wo man seinem Tätigkeitsdrang offenbar gern Nahrung gibt. Es ist doch schön, wie das Leben eines sonst bescheidenen Menschen durch die Religion Inhalt bekommt u. wie er auch noch dadurch Gelegenheit bekommt, seine etwas mädchenhafte Eitelkeit auf gefällige u. nützliche Art unterzubringen. Ich dankte ihm für die Pakete, die ich durch seine Vermittlung von der Gemeinde Steglitz erhalten habe. Er sagte mir, daß der Pfarrer sich zwar über meinen Dankesbrief gefreut habe, daß er mich aber bitten ließe, in einem eventuellen Wiederholungsfalle davon abzusehen u. meinen Dank durch stilles Gebet zu entrichten. Es ist rührend u. tröstlich, wie in jener Gemeinde die Caritas gehandhabt wird.

     Kaum war Herr B. fort gegangen, nachdem er mir noch Cigarren, hier gelassen hatte, als Herr Josef Faensen, – also der Sohn, – kam. Er war noch niemals hier gewesen. Er kam im Auftrage seiner Mutter, um mir zu bestellen, ich möge heute schon um 1 Uhr zum Essen kommen, weil der ebenfalls eingeladene Kaplan schon früh wieder fort müsse. – Ich zeigte Herrn F. meine Bilder, die offensichtlich Eindruck auf ihn machten. Er fand es sehr schade, daß ich nicht mehr male u. er meinte, daß dies doch eine Art von Selbstzerstörung von mir sei u. daß doch dann die Religion die Zerstörerin einer sehr wertvollen Sache sei. Es war zu wenig Zeit, ihm die inneren Gründe auseinanderzusetzen, ich sagte ihm nur, daß es zwar wohl eine Selbstentäußerung sei, aber keine Selbstzerstörung, da durch diese Selbstentäußerung eben nichts zerstört würde, sondern im Gegenteil etwas ganz Neues u. Größeres aufgebaut würde. Das Schaffen von malerischen Bildwerken ist ja an u. für sich eine Selbstentäußerung, indem der Künstler unter oft großen Schmerzen (bei mir wenigstens ist es so) sich seines Ideengutes entäußert u. es in Bildwerke umsetzt, die für ihn dann ganz wertlos sind. Bestenfalls findet er damit Anerkennung, die ihm mit Geld ausgedrückt wird, – aber nicht einmal diesen Vorteil habe ich. Meine Bilder stehen nutzlos u. zwecklos an der Wand u. niemand sieht sie, – was ich auch garnicht so sehr bedaure, denn diese Bilder bleiben doch immer nur ganz trübe Spiegel dessen, was in meinem Inneren vorgeht u. was ich ausdrücken wollte. Es ist also kein so sehr schmerzlicher Verzicht für mich, wenn ich auf diese Art des künstlerischen Schaffens verzichte, denn erstens ist der Schaffensprozeß selbst eine schmerzhafte Qual, die bei meiner Art zu arbeiten meist monatelang anhält u. fast über meine Kraft geht, – u. zweitens ist das Resultat dieser monatelangen Quälerei stets unbefriedigend. – Ich male ja nicht, um irgendetwas Schönes in der Natur schön darzustellen, damit ich selbst oder andere Freude daran haben sollen, sondern ich male um einer Idee willen. Meine Ideen aber sind nun einmal abwegig, sie liegen nicht in der Richtung satter Zufriedenheit, sondern ich will die Mängel u. Fehler unserer Kultur u. unseres zivilisierten Lebens aufweisen, ich will die Lüge u. Unehrlichkeit unseres bürgerlichen Lebens zeigen. Es ist da doch kein Wunder, daß die Menschen solche Bilder ablehnen u. entrüstet zurückweisen, denn sie fühlen sich ja in ihrer Unehrlichkeit sehr wohl u. behaglich.

     Da es mir nun also beim Malen garnicht auf ein schönes Bild

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Hans Brass: TBHB 1935-03-13. , 1935, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1935-03-13_001.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2024)