Textdaten
Autor: Hans Brass
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Titel: TBHB 1935-03-13
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Entstehungsdatum: 1935
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Originaltitel: Mittwoch, den 13. März 1935.
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Quelle: Commons
Kurzbeschreibung: Ungekürzte Tagebuchaufzeichnungen vom 13. März 1935
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Einführung

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Der Artikel TBHB 1935-03-13 zeigt die ungekürzten Tagebuchaufzeichnungen von Hans Brass vom 13. März 1935. Diese Aufzeichnungen erstrecken sich über drei Seiten.

Tagebuchauszüge

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[1]
Mittwoch, den 13. März 1935.     

[1]      Nun wird es Zeit, daß die Kälte aufhört. Gestern Abend machte sich im Atelier ein unangenehmer Schwefelgeruch bemerkbar. In der Nacht erwachte ich davon, daß der ganze Raum mit Ofengasen gefüllt war. Ich machte rasch das Fenster auf, das eigentlich nur eine Art größerer Dachluke direkt über dem Kopfende meines Bettes ist. So hatte ich wenigsten Luft u. entging einer sicheren Gasvergiftung. Ich muß nun wieder den Kachelofen mit Preßkohlen heizen. Wodran es liegt, daß der Anthrazit-Ofen plötzlich so viel Gas ausströmt, konnte ich nicht herausbekommen, – er hat es schon oft getan, aber nicht so viel. –

     Heute früh besuchte mich nach längerer Zeit wieder einmal Herr Ballin. Er ist ein anhänglicher u. gutmütiger Mensch. Er erzählte mir eifrig von seinem apostolischen Wirken in der Gemeinde Steglitz, wo man seinem Tätigkeitsdrang offenbar gern Nahrung gibt. Es ist doch schön, wie das Leben eines sonst bescheidenen Menschen durch die Religion Inhalt bekommt u. wie er auch noch dadurch Gelegenheit bekommt, seine etwas mädchenhafte Eitelkeit auf gefällige u. nützliche Art unterzubringen. Ich dankte ihm für die Pakete, die ich durch seine Vermittlung von der Gemeinde Steglitz erhalten habe. Er sagte mir, daß der Pfarrer sich zwar über meinen Dankesbrief gefreut habe, daß er mich aber bitten ließe, in einem eventuellen Wiederholungsfalle davon abzusehen u. meinen Dank durch stilles Gebet zu entrichten. Es ist rührend u. tröstlich, wie in jener Gemeinde die Caritas gehandhabt wird.

     Kaum war Herr B. fort gegangen, nachdem er mir noch Cigarren, hier gelassen hatte, als Herr Josef Faensen, – also der Sohn, – kam. Er war noch niemals hier gewesen. Er kam im Auftrage seiner Mutter, um mir zu bestellen, ich möge heute schon um 1 Uhr zum Essen kommen, weil der ebenfalls eingeladene Kaplan schon früh wieder fort müsse. – Ich zeigte Herrn F. meine Bilder, die offensichtlich Eindruck auf ihn machten. Er fand es sehr schade, daß ich nicht mehr male u. er meinte, daß dies doch eine Art von Selbstzerstörung von mir sei u. daß doch dann die Religion die Zerstörerin einer sehr wertvollen Sache sei. Es war zu wenig Zeit, ihm die inneren Gründe auseinanderzusetzen, ich sagte ihm nur, daß es zwar wohl eine Selbstentäußerung sei, aber keine Selbstzerstörung, da durch diese Selbstentäußerung eben nichts zerstört würde, sondern im Gegenteil etwas ganz Neues u. Größeres aufgebaut würde. Das Schaffen von malerischen Bildwerken ist ja an u. für sich eine Selbstentäußerung, indem der Künstler unter oft großen Schmerzen (bei mir wenigstens ist es so) sich seines Ideengutes entäußert u. es in Bildwerke umsetzt, die für ihn dann ganz wertlos sind. Bestenfalls findet er damit Anerkennung, die ihm mit Geld ausgedrückt wird, – aber nicht einmal diesen Vorteil habe ich. Meine Bilder stehen nutzlos u. zwecklos an der Wand u. niemand sieht sie, – was ich auch garnicht so sehr bedaure, denn diese Bilder bleiben doch immer nur ganz trübe Spiegel dessen, was in meinem Inneren vorgeht u. was ich ausdrücken wollte. Es ist also kein so sehr schmerzlicher Verzicht für mich, wenn ich auf diese Art des künstlerischen Schaffens verzichte, denn erstens ist der Schaffensprozeß selbst eine schmerzhafte Qual, die bei meiner Art zu arbeiten meist monatelang anhält u. fast über meine Kraft geht, – u. zweitens ist das Resultat dieser monatelangen Quälerei stets unbefriedigend. – Ich male ja nicht, um irgendetwas Schönes in der Natur schön darzustellen, damit ich selbst oder andere Freude daran haben sollen, sondern ich male um einer Idee willen. Meine Ideen aber sind nun einmal abwegig, sie liegen nicht in der Richtung satter Zufriedenheit, sondern ich will die Mängel u. Fehler unserer Kultur u. unseres zivilisierten Lebens aufweisen, ich will die Lüge u. Unehrlichkeit unseres bürgerlichen Lebens zeigen. Es ist da doch kein Wunder, daß die Menschen solche Bilder ablehnen u. entrüstet zurückweisen, denn sie fühlen sich ja in ihrer Unehrlichkeit sehr wohl u. behaglich.

     Da es mir nun also beim Malen garnicht auf ein schönes Bild [2] ankommt, sondern auf die Aufdeckung von häßlichen Unwahrheiten unseres Lebens so kann ich das Malen ziemlich gleichgültig aufgeben, sobald ich eingesehen habe, daß die Menschen sich von solchen Aufdeckungen ihrer Lügen nicht belehren lassen wollen, sondern mich ganz einfach totschweigen und boykottieren. Ich kann das Malen deshalb gleichgültig aufgeben, weil sich mir im Christentum eine weit schärfere Waffe im Kampf gegen Lüge u. Unwahrhaftigkeit angeboten hat. Ich gebe zu, daß ich diese Waffe noch nicht richtig zu führen verstehe u. daß ich noch lernen muß; aber das ist doch nur eine Frage der Zeit u. ich hoffe doch, daß ich bald so weit sein werde, meinen Kampf neu aufzunehmen. Also ist das Aufgeben des künstlerischen Schaffens zwar wohl eine Selbstentäußerung, indem ich mich von Hoffnungen, Wünschen, Eitelkeiten, Erfolgen usw. kühl abwende, denen ich wohl dreißig Jahre meines Lebens vergeblich nachgelaufen bin, – aber es ist keine Selbstzerstörung. Mein inneres Wollen, das Ziel ist genau dasselbe geblieben, nur das Mittel zur Erreichung des Zieles hat gewechselt u. ist ein besseres geworden. Mir ist das Malen ja niemals Selbstzweck gewesen, sondern nur immer Mittel zum Zweck. Dieses Mittel habe ich gewechselt, es heißt heute Religion. Der Zweck ist stets derselbe geblieben, – dieser Zweck ist die Darstellung des höheren Menschen, wie ich das früher nannte, – ist die Darstellung Christi, wie ich es heute nenne. –

Bei Faensens traf ich also Kaplan Stahl. Bei näherer Besichtigung ergibt sich eine Bestätigung des Eindrucks, den ich bisher hatte. Ein junger Mensch, dem es um eine radikale Darstellung des christlichen Menschen geht u. der nicht gesonnen ist, Kompromisse zu machen. Im Detail erkennt man dann, daß er ein echter Berliner Junge ist, – er ist in Berlin geboren, zweifellos aus kleinen Verhältnissen hervorgegangen, unerschrocken, unsentimental, schlagfertig, hell u. offenbar mutig. Seine Sympatie ist offensichtlich beim Proletariat, u. hier in erster Linie bei der Jugend. – Im bürgerlichen Friedenau findet er natürlich nichts, was seinen Neigungen entspricht, wohl aber scheint er bereits versteckte Feindschaft zu spüren sowohl von Seiten des Pf. Menzel, wie auch von den Gemeindemitgliedern. Nach seiner recht temperamentvollen u. ausgezeichneten Predigt vor 14 Tagen, in der er gegen Rosenbergs Mythos des 20. Jahrh. tapfer vom Leder zog, hörte er beim Verlassen der Kirche, wie eine dieser pelzeingewickelten, protzigen Bürgersfrauen laut sagte: „den Menschen müßte man in's Gefängnis bringen“. –

     Er bestätigte mir, daß der „Kreis aktiver Katholiken“ sich ausschließlich aus diesen Bürgern zusammensetzt. Ich freute mich, zu hören, daß er, der Kaplan, sich von diesen Kreisen ganz entschieden fern hält. Er erzählte, daß im Gemeindehause unter Führung des Pfarrers eine Gründungsversammlung in Form eines Eisbein=Essens stattgefunden habe, zu dem er selbst nicht eingeladen worden sei, wohl aber Dr. Tetzlaff, – der aber nicht erschienen sei. So angenehm dem Kaplan es auch war, nicht eingeladen worden zu sein, so liegt doch darin eine deutliche Geste des Ausschlusses, – wie ja überhaupt diese ganze Rheingau-Gesellschaft durch die Art ihrer Gründung zu erkennen gibt, daß sie exklusiv zu sein wünscht. Es handelt sich eben um die „Vornehmen“, d.h. um die Leute mit Titeln u. Geld, die ja seit jeher für unseren Pfarrer die Leute sind, denen er seine Beachtung schenkt. Die anderen, die täglich in die Frühmesse kommen u. auch sonst ihr Christentum praktisch betätigen, sind für ihn keine „aktiven Katholiken“, – sie sind für ihn bestenfalls brave Leute, über die man wohlwollend hinweg sieht, oder sie sind die Objekte seiner spöttischen Scherze, Leute über die er sich lustig macht. – Ich habe mich bei Faensens sehr zurückgehalten, habe wenig gesprochen, um zu beobachten. Es scheint mir, als wäre der Kaplan das, was ich erwartete. Ich denke, daß er nun am Freitag Abend zu mir kommen wird u. dann will [3] ich unter vier Augen ernsthaft mit ihm reden.

     Später trank ich bei Maria W. Kaffee. Ihre Krankheit steckt ihr noch immer in den Gliedern, doch schont sie sich, sodaß sie wohl bald wieder wohlauf sein wird.