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armseligen Rosenloch ist so etwas leider nicht aufzutreiben. Armselig, sage ich? O nein, wir sind hier unendlich reich, denn der Mai überschüttet uns mit seinen reichlichsten Gaben. Fliegen Sie hieher in die Arme der Natur, eine Matrone wie ich darf leider nicht sagen in die Arme Ihrer Freundin

Minona.



Rosenloch, den 6. Mai.

Sie verpflichten mich unendlich durch die schnelle, gütige Besorgung meiner Aufträge, womit ich Sie zu belästigen so dreist bin. Vielleicht gewährt es Ihnen eine Genugthuung, wenn ich bekenne, daß mir der Malzzucker außerordentlich wohlgethan, und mir meine in Ihrem Dienst leidend gewordene Brust wesentlich erleichtert hat.

Aber wie soll ich es deuten, daß Sie den Malzzucker nicht mit einigen Zeilen begleitet haben? Ich wundere mich, daß er trotzdem doch seine Wirkung gethan hat, denn ich war wie vom Schlage gerührt, als ich das Schächtelchen öffnete und darin nichts als den Zucker fand. Nicht wahr, böser Mann, Sie haben keine Zeit übrig gehabt, an Ihre Sie so hochschätzende Minona einige Zeilen zu richten? Ich weiß ja, Sie haben so viele Geschäfte, da muß ich armes Wesen schon zurückstehen.

Die Schönheiten der Natur in und um Rosenloch nehmen immer mehr überhand. Da wird auch Minona zur Dichterin und macht folgenden Vers:

Ach, wie schön die Vögel singen,
Ach, wie schön die Blumen blühn!
Ja, das muß wohl Freude bringen,
Hätte ich nur Ihn, ja Ihn!

Mit dem Ihn meine ich Sie, theuerster Freund! denn was hilft aller Reiz, alle Schönheit der Natur, wenn man den Genuß nicht mit einem Freunde theilen kann, dessen edles, reines Herz den Wirkungen der schönen Natur geöffnet ist? Die Menschen in Rosenloch sind so kalt, so engherzig! Kommen Sie doch ja einmal nach Rosenloch herüber, um den Naturgenuß mit mir zu theilen, denn mir allein ist er zu stark.

Walter Scotts Ivanhoe, Kosegartens Jucunde, Tiedge’s Urania (bereits zum zwölftenmale gelesen), Goethe’s Wahlverwandtschaften, Heine’s Buch der Lieder, Strauß’s Glockenklänge, Sue’s Mysterien folgen hierbei mit größtem Dank zurück. Darf ich Sie wohl um andere gleich interessante Bücher ersuchen?

Minona.


Rosenloch, den 7. Mai.

In der größten Besorgniß setze ich mich an den Schreibtisch, und ergreife die Feder, diese Vertraute meines Herzens, um Ihnen meine Angst und meinen Kummer auszudrücken.

Noch immer keine Antwort, nicht einmal auf meinen wichtigen Brief von gestern. Sind Sie verreist? Sind Sie krank? Sind Sie meiner überdrüßig? Haben Sie die zurückgesandten Bücher erhalten? Wollen Sie die Güte haben mir neue zu besorgen? Ist Ihnen unser Rosenloch so zuwider geworden, daß Sie es selbst absichtlich zu meiden scheinen? Ach, was hätte ich nicht Alles zu fragen; aber immer hoffte ich auf ein paar Zeilen von Ihrer geistreichen Feder; jetzt werfe ich diese wenigen Worte auf’s Papier, und fort mit ihnen auf die Post; sonst kommen sie zu spät. Ihre mütterlich besorgte

Minona.


Rosenloch, den 8. Mai Vormittags.

Was soll ich denken? Noch immer keine Antwort! Sollte Ihre Freundschaft wirklich –? Schrecklicher Gedanke –! Ihnen zur Strafe nur diese paar Zeilen.

Minona.


Rosenloch, den 8. Mai Nachmittags.

Meine Angst wächst! Theurer, theuerster Freund! habe ich Sie irgendwie beleidigt? Sind Sie krank? Nur um ein Paar Worte bittet flehentlichst

Minona.


Rosenloch, den 8. Mai Abends.

Es ist bereits Abend – und noch immer kein Brief! Ich bin in Verzweiflung, Worte habe ich nicht mehr, sondern nur noch Gefühle. Die in Angst und Schmerz als treue Freundin so oft erprobte Feder versagt mir dießmal ihren Dienst. Erhalte ich morgen kein Lebenszeichen von Ihnen, so bin ich übermorgen. trotz des herrlichen Wetters und der schönen Gegend von Rosenloch, in.der Hauptstadt, um vielleicht das mir ach so Schreckliche zu vernehmen, daß Ihre Freundschaft für mich erkaltet ist. Ihre in Angst und banger Erwartung sich verzehrende

mütterliche Freundin Minona.



Diese Drohung dünkte meinem Bekannten doch zu gefährlich; es blieb ihm nichts anderes übrig, als seine Abneigung gegen das Briefschreiben zu überwinden, und seiner zarten Freundin die Versicherung zu ertheilen, wie sehr er fortdauernd ihr Freund sei, und wie nur die dringendsten Geschäfte ihn abhalten konnten, ihre freundlichen Zeilen pflichtgemäß zu erwidern. Den Sommer, den Frühherbst durch war er ein sehr geplagter Mann; er erhielt täglich von Minona Blümchen Briefe und Aufträge, manchen Tag mehrere; sein ganzer Papierkorb, trotz des Verbrauchs an Fidibus, war von unten bis oben mit Billetchen von Madame Blümchen angefüllt.

Gegen den Winter hin bezog Minona ein Quartier in der

Empfohlene Zitierweise:
Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 2). Braun & Schneider, München 1846, Seite 020. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_2.djvu/24&oldid=- (Version vom 14.2.2021)