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sich selbst anbetenden Autoren vorgelesen? Und ich mußte diese Tragödien nicht nur loben, ich mußte sie auch hören! Wie viel schaurige Balladen hab’ ich nicht schon hören müssen, und doch nicht dabei einschlafen dürfen, weil die Verfasser mich bei jeder Zeile auf die Schönheiten derselben besonders aufmerksam machten! Wie viel Tendenznovellen haben mich nicht schon vom Mittagstisch abgehalten! Es giebt kein Leid, mit dem mich nicht unbarmherzige Aftermusensöhne heimgesucht haben. Ich bin mit Romanzen verfolgt, mit Hymnen gepeinigt, mit Oden gefoltert worden. Es existirt kein schlechter Reim, der nicht mein Gehör beleidigt, kein holperiger Vers, der nicht mein Ohr schon zerrissen hätte. Ich habe ganze nordische Winterabende hindurch hören müssen, wie zarte Haustöchter auf hektischen Klavieren Straußische Walzer abklimperten, und ich mußte, trotz meiner bittern Verzweiflung, süß lächeln, applaudiren und den entzückten Eltern das Talent ihrer lieben Kinder anpreisen. Wer zählt die altjungfräulichen Stimmen, die mich mit Beethovens „Adelaide“ schon so oft zu Tod amüsirten? –

Aber was helfen meine Klagen? Kein Sterblicher kann seinem Verhängniß entrinnen. Wer durch das Schwert umkommen soll, den wird das Schwert ereilen; und wer den Tod in den Wellen finden soll, der wird vergebens die Welle fliehen. Mir sagt meine Ahnung, daß ich einst den Tod durch den Dilettantismus finde. Ob mich nun ein von Dilettanten ausgeführtes Quartett einst meuchlings überfällt; ob mich einst der Tod in Gestalt einer in Mendelssohn’schen Liedern schwärmenden Haustochter, oder in Gestalt eines Lustspielvorlesenden Ladendieners ereilt: wer kann das wissen? –





Die neuen Balkone.



„Ja Johann – um des Himmelswillen, warum macht Er denn die Thüre zu – ach Gott – ich werde ja ganz zerquetscht.“





„Kaum hatte der Schulmeister diese Worte gesprochen, als er unversehens über Rudolph herfiel, denselben an der Kehle packte, und in den Keller stürzte, der hinter dem Tische offen stand –„

Elender Schulmeister – Kerl – hätte ich dich – dieses Bügeleisen – Himmelsapperment. –



Empfohlene Zitierweise:
Kaspar Braun, Friedrich Schneider (Red.): Fliegende Blätter (Band 2). Braun & Schneider, München 1846, Seite 013. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Fliegende_Bl%C3%A4tter_2.djvu/17&oldid=- (Version vom 12.12.2020)