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der in unserem Wahlkreis aufgestellt worden ist — wahrhaft empörend!“

„Das hat mir doch gleich geahnt, daß da wieder Eure abscheuliche Politik im Spiele ist! Aber dann ist es auch nicht so schlimm, wie Du es machst; es wird und muß sich noch alles aufklären und ausgleichen, und vielleicht hast Du nur — vielleicht solltest Du das weitere einmal mir überlassen — in Herzenssachen ist ein Mädchen doch —“

„Willst Du etwa damit andeuten, daß ich nicht diskret und zartfühlend genug zu Werke gegangen bin? Du schienst so etwas durchblicken lassen zu wollen. Weibliche Einbildungen — Romanideen — Gartenlauben-Redensarten — weiter nichts!“, fuhr der Kommerzienrat ärgerlich auf.

„Aber Papa, Du bist ja heute so ungnädig, wie ich Dich noch gar nicht gesehen habe!“ erwiderte Emmy, ein wenig die Hände faltend. „Du schnurrst mich ja an, als hätte ich Herrn Hammer heiraten wollen.“

Der Kommerzienrat mußte trotz seines kochenden Unmuts lächeln. „Du bist ein Kind, Emmy — wie kannst Du nur so etwas aussprechen? Nun, lassen wir die fatale Geschichte — der Mensch ist es nicht wert, daß ich mich seinetwegen erbose, und Du wirst ihn um so leichter vergessen, als ich ihn natürlich Knall und Fall fortgejagt habe — gleich in der Versammlung. Wahrscheinlich ist er jetzt schon über alle Berge — hier hat er sich unmöglich gemacht, das wird er wohl selber einsehen, und soviel wird er ja noch haben, um wieder hinüber nach England oder nach Amerika zu kommen.“

Nach einer kleinen Pause setzte er möglichst freundlichst hinzu:

„Was Martha anlangt, so thun wir wohl am besten, Rücksicht auf ihren leidenden Zustand zu nehmen und ihr erst in einigen Tagen in schonender Weise Mitteilung von dem Vorgefallenen zu machen. Daß Du mir Andeutungen gegeben hattest und daß ich infolgedessen mit diesem Hammer über sie gesprochen habe, braucht sie natürlich nicht zu wissen; wir brauchen ihr ja nur zu sagen, was sich in der Versammlung zugetragen hat -— das genügt.“

Emmy erwiderte hastig und fast erschrocken:

„Selbstverständlich, Papa. Ich bitte Dich um Gottes willen, keine Silbe über unser Gespräch zu verlieren; Martha würde es mir nie verzeihen, mich in ihre Angelegenheit gemischt zu haben, und ich glaube, auch Du würdest gar nicht gut dabei fortkommen. In manchen Dingen ist sie sehr streng und besteht auf ihrem Kopf. Ich glaube, sie bräche für immer mit uns, verlaß Dich darauf, Papa!“

Dem Kommerzienrat fielen allerlei alte Geschichten ein; er nickte zustimmend und etwas bedenklich mit dem Kopfe, und Emmy rief dem Fortgehenden noch nach:

„Ich muß nachher doch einmal nachsehen, wie es Martha geht, aber ich werde meinen Besuch möglichst abkürzen, und wenn sie, was ich nicht hoffen will, bereits etwas über die unglückliche Versammlung gehört hat, so weiß ich von allem kein Wort.“

Empfohlene Zitierweise:
Rudolf Lavant: Ein verlorener Posten. Goldhausen, Leipzig 1878 und 1902, Seite 218. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ein_verlorener_Posten_218.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)