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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band

Es besteht wirklich eine große, eine allzugroße Einförmigkeit in der Kleidung, in der Art und Weise zu sprechen und im Wesen (denn ein wenig Kostüm, das die Individualität fein ausdrückt, gehört zu einem vollkommen fein ausgeprägten Charakter).

Vom einen Ende der Union zum andern bekommt man dieselben Fragen über Jenny Lind, dieselben Redensarten beim Anfang der Unterhaltung, denselben letzten Gedanken von Weber auf dem Piano zu hören. Aber nach diesem bemerkt ein aufmerksamer Betrachter bald, daß der Charakter und die Individualität sich ihr volles Recht nehmen, und ich habe nirgends so handgreiflich wie hier den Abstand zwischen Mensch und Mensch kennen gelernt, nirgends eine so große Ungleichheit zwischen Mann und Mann gesehen, und zwar ohne alles Zuthun von Kunst, Stand, Uniform oder äußeren Umständen. Hier ist der Transscendentalist, der auf die Erde stampft, wie wenn er ein Gott wäre, der die Menschen auffordert, Götter zu werden, der durch die Schönheit seines Wesens und seiner Natur uns etwas Höheres von der Menschennatur glauben lehrt — und hier ist der Erdesser, der im Walde ohne Schule und Kirche, zuweilen ohne Haus lebt, und durch eine krankhafte Leidenschaft angezogen wird, Erde zu essen, bis er dämonisch fortgerissen von ihrer Schwerkraft sein Grab in ihr findet; hier ist der Spiritualist, der von Brod, Wasser und Früchten, welche das Licht erzeugt hat, lebt, um sich rein zu halten von der Ansteckung alles Groben, und der das Christenthum nicht rein genug finden will für seinen verdünnten moralischen Aether; hier der edelherzige Socialist, der nur lebt, um zu geben, Gutes zu thun, zu segnen; und neben ihm ist der Mammonsverehrer, der Alles mit Füßen tritt, der nichts Heiliges anerkennt, von Nichts weiß was er nicht seinem Abgott, d. h. seinem Selbst zu opfern wünscht und bemüht

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 453. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Zweiter_Band.djvu/471&oldid=- (Version vom 20.8.2021)