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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band

hier meinen Wohnsitz nehmen zu können. Die Treppe hinauf ist halsbrecherisch.

Gestern lebte ich beinah den ganzen Tag ganz allein draußen auf der Prärie, bald über die Felder hinwandelnd und auf die unendlichen Räume hinausblickend, wobei meine Seele und mein Leib sich gleichsam erweitern und fliegen wollen; bald mitten unter Sonnenblumen und Astern an einem niedern Hügel mit einigem Gebüsch darauf sitzend und Emerson lesend, diesen wunderlichen Ariel, rein, erfrischend, aber flüchtig und in seinen Philosophemen sich verflüchtigend, wie der Wind, der über die Prärien hinfegt und den elektrischen Telegraphenfäden melodische Töne entlockt, die in demselben Augenblick klingen und verklingen. Seine Philosophie gleicht oft diesem Winde. Er selbst ist um ein Gutes mehr und besser. Seine Persönlichkeit ist es, die diesen unvollkommenen Akkorden den wunderbar bezaubernden Ton gibt.

Wie groß ist der Eindruck dieser unendlichen Felder mit ihrer Einsamkeit und Stille! In Wahrheit sie machen die Seele sich erweitern und wachsen und mit tiefen Zügen athmen. Der große Westen! Ja wohl! Aber welche Einsamkeit! Ich sah keine Wohnungen (außer dem Höfchen, wo ich wohne) keine Menschen, keine Thiere; nichts als Himmel und die blumengeschmückte Erde. Der Tag war schön und warm, und die Sonne schritt hell über die Erde hin bis gegen Abend, wo sie sich allmählig in lichte Wolken von Sonnenrauch verbarg, der beim Untergang den Gürtel bildete, durch welchen die Erdkugel in mattem Glanz leuchtete, so daß sie aussah wie ein großes Pantheon mit goldener Kuppel, das am Horizont über dem unermeßlichen Feld steht.

Morgen oder übermorgen begebe ich mich von hier weg, und am Montag hoffe ich am Missisippi zu sein. Jetzt will ich ein Paar Worte an die junge Mrs.

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Zweiter Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 285. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Zweiter_Band.djvu/303&oldid=- (Version vom 12.12.2020)