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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band

Mangel an lebendigem Christenthum, kann nur dabei gewinnen, wenn sie durch solche frische Winde vom Himalaya des Heidenthums aufgeweckt wird. Aber wie kann Emerson unbeachtet lassen … Doch ich will jetzt nicht darnach fragen. Emerson ist gerecht und wahrhaftig. Wären Viele wie er!

Jetzt muß ich Dir ein wenig von meinem gesellschaftlichen Leben in dieser Zeit erzählen. Miß Catharina Sedgewick (Verfasserin von Redwood) kam nebst einer jungen Nichte, Susanna Sedgewick, einige Tage nach meiner Zurückkunft hieher. Mr. Downing, der sie sehr schätzt, wünschte, daß ich sie kennen lernen möchte. Sie hat zwischen fünzig und sechzig Jahren, und ihr Aeußeres verräth zwar viel verständige Güte und Wohlwollen, aber kein eigentliches Genie. Ihre Gestalt ist weiblich schön, und ihr ganzes Wesen weiblich, redlich offen, ohne alle Manierirtheit. In den ersten Tagen war es mir als schliefe meine Seele ein wenig bei ihr, aber dieses Gefühl wurde in einem Augenblick gleichsam weggeblasen durch einen rührenden schönen Ausdruck von Herzlichkeit auf ihrer Seite; — dieser eröffnete sie gleichsam für mich und mich für sie, und seitdem fühle ich, daß ich mit ihr leben könnte, wie mit einer himmlischen Seele, zu welcher man das reinste Vertrauen haben kann. Ich erfreue mich auch an dem tiefen Verstand in ihren Worten und an ihrem wahrhaft weiblichen Sinn für die Verhältnisse des Lebens. Sie ist eine wahre und milde Seele, und ich fühle, daß ich sie recht lieben könnte. In den letzten Jahren soll sie viel für das geschrieben haben, was ich die geringeren Leute in der Gesellschaft nennen möchte, denn hier, wo beinahe alle Menschen arbeiten, um zu leben, kann man nicht von einer eigentlichen arbeitenden Klasse sprechen, wohl aber von einer solchen, die sich noch nicht emporgeschwungen hat. Für diese Klasse schrieb Franklin, selbst ein Arbeiter, der sich

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Fredrika Bremer: Die Heimath in der neuen Welt, Erster Band. Franckh, Stuttgart 1854, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Heimath_in_der_neuen_Welt,_Erster_Band.djvu/49&oldid=- (Version vom 9.3.2019)